Springe zum Inhalt

Alle Wikinger hießen Helga und Erik, Sven und Gudrid oder Inga und Björn? Wenn es um die Frage nach den Namen der Menschen aus der skandinavischen Wikingerzeit geht, fallen wohl meistens diese auch heute noch gebräuchlichen Vornamen.

Was aber wissen wir wirklich über die Namen der Menschen, die zwischen 800–1100 nach Christus in Skandinavien lebten, den Menschen, die wir verallgemeinernd als ‚Wikinger‘ bezeichnen? Die erste und wichtigste Quelle sind die über 3.000 derzeit bekannten Runensteine. Beinahe die Hälfte dieser Steine wurde in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts in der Provinz Uppland, nördlich der heutigen schwedischen Hauptstadt Stockholm, errichtet. Die Runensteine sind zumeist Denkmäler, die zur Erinnerung an Verstorbene errichtet worden sind. Zuweilen rühmten sich aber auch noch lebende Personen auf den Runensteinen ihrer Taten. Berühmtestes Beispiel ist sicherlich der große Runenstein von Jelling, auf dem sich der dänische König Harald Blauzahn als Reichseiniger und Vorkämpfer für das Christentum darstellte.

Die Inschriften auf den meisten der wikingerzeitlichen Runensteine sind nach einem immer wiederkehrenden Muster aufgebaut. Am Anfang stehen ein oder mehrere Personennamen, die den Runenstein für eine Person haben errichten lassen, oftmals den Bruder, Vater, Ehemann oder Sohn, manchmal auch die Mutter oder Ehefrau. Oft folgt darauf eine kurze Information zu den Todesumständen, wenn bspw. jemand auf Raubzug, im Kampf oder auf einer Handelsreise in ferne Länder gestorben war. Manchmal wird die Inschrift durch eine christliche Segensformel oder eine Nennung des Runenschreibers abgeschlossen.

Dadurch ist auf den Runensteinen eine große Anzahl wikingerzeitlicher Personennamen überliefert. Sicherlich sind diese Namen nicht zwangsläufig repräsentativ für die gesamte Wikingerzeit, denn sie spiegeln vor allem die Elite wider. Die häufigsten Namen sind uns dabei tatsächlich ziemlich vertraut: Sven (Svæinn), Björn (Bjǫrn), Thorsten (Þórstæinn), Ulf (Ulfr) oder auch Gunnar (Gunnarr) bei den Männern; Tora (Þóra), Asa (Ása), Inga oder Helga bei den Frauen. Viele der selteneren Namen sind heutzutage jedoch nicht mehr üblich; Männernamen wie Anundr, Tóki, Sigfastr oder Svarthǫfði und Frauennamen wie Guðlaug, Kætilví oder Fastlaug.

Vor wenigen Wochen hatte ich die große Ehre, im Studio von Grimfrost zu Gast zu sein und mit Johan Hegg - seines Zeichens Frontmann von Amon Amarth - über Reenactment, die Wikingerzeit und meine Forschung zu sprechen. Das Video-Interview ist nun als Folge 6 des Podcasts "Explore the Viking Age" von Grimfrost erschienen und bei Youtube zu sehen.

Schulen oder Kindergärten gab es in der Wikingerzeit noch nicht. Die Kinder lernten fast alles von den Erwachsenen. So mussten sie schon früh ihren Eltern bei der alltäglichen Arbeit helfen: Sie mussten Brennholz sammeln, Tiere hüten oder auf die jüngeren Geschwister aufpassen. Die Mädchen halfen der Mutter bei der Hausarbeit, die Jungen ihren Vätern in der Werkstatt, auf den Feldern oder beim Fischen und erlernte so die Fähigkeiten für ihr späteres Leben. Trotzdem haben auch die Kinder in der Wikingerzeit oft Freizeit gehabt, in der sie verschiedenste Spiele miteinander spielten. In Haithabu wurden verschiedenste Gegenstände gefunden, die als Kinderspielzeug gedeutet werden können: kleine geschnitzte Schiffe aus Holz, mit denen die Kinder in Haithabu am Hafen spielerisch selbst „in See stechen“ konnten oder Poppen aus Holz und Knochen. An anderen Fundplätzen in Skandinavien sind kleine Holzschwerter gefunden worden, mit denen die Jungen den großen Kriegern nacheifern konnten, unterschiedlichste Tierfiguren aus Holz, Knochen oder Bernstein wie kleine Pferde, Enten oder Katzen sowie Lederbälle und Kreisel. Im Winter, wenn man sich in die dunklen Häuser zurückzog, spielten die Kinder sicherlich auch ähnliche Spiele wie die Erwachsenen: Würfelspiele mit kleinen Knochenwürfeln oder das beliebte Brettspiel Hnefatafl, bei dem ein Spieler die Rolle des Verteidigers übernimmt, der mit seinem König vom Spielfeld zu fliehen versucht, während der andere Spieler als Angreifer die Königsfigur festsetzen muss.

Auch wenn wir nicht allzu viel über Leben und Alltag von Kindern in der Wikingerzeit wissen – das archäologische Fundmaterial spiegelt zumeist nur das Leben der Erwachsenen wider – zeigen die Funde von Spielzeug eindrücklich auf, dass auch in Haithabu das Lachen und Kreischen spielender Kinder durch die Gassen hallte.

Auch der aktuelle Podcast von ZEIT Geschichte. Wie war das nochmal? widmet sich der Wikingerzeit und der vermutlich derzeit meist gestellten Frage: Gab es weibliche Krieger in der skandinavischen Wikingerzeit und welche Bedeutung hat dabei das ominöse Kammergrab Bj 581 aus Birka. Dazu wurde ich von den Redakteuren von ZEIT GEschichte befragt und herausgekommen ist ein ebenso anschaulicher wie gut recherchierter und teilweise auch sehr kritisch hinterfragender Podcast, den man sich >hier< anhören kann.

Das aktuelle Magazin von 'Zeit Geschichte: Wikinger' widmet sich ausführlich auf über 120 Seiten der Wikingerzeit. Mehr als 20 Beiträge, teilweise verfasst von international renommierten Fachleuten beleuchten unterschiedliche Aspekte dieser Epoche und auch für echte 'Wikinger-Kenner' findet sich noch die ein oder andere neue Information. Ich habe das Heft als Fachberater begleiten dürfen und mich in einem längeren Interview, das den Abschluss des Heftes bildet, mit den Redakteuren über die heutige Faszination für die Wikingerzeit unterhalten.

Echte Wikinger waren Heiden, glaubten an Odin, Thor und die anderen Götter der Edda und lehnten das Christentum ab. Dies ist jedenfalls das Bild, dass uns in den Medien zumeist vermittelt wird. Die historische Realität sah dagegen ganz anders aus. Schon früh kamen die Menschen der skandinavischen Wikingerzeit mit dem christlichen Glauben in Berührung, auf ihren Handelsfahrten in den Süden und Westen oder durch christliche Händler, z. B. in Haithabu. Haithabu nahm bei der Christianisierung der Wikinger auch eine zentrale Rolle ein, denn um das Jahr 850 n. Chr. herum wird dem Mönch Ansgar, dem ‚Apostel des Nordens‘, erlaubt, in Haithabu eine Kirche zu errichten und zu predigen. Etwa einhundert Jahre später wird Haithabu zusammen mit den Siedlungen Ribe und Århus zum Bistum ernannt. Die eindrucksvolle große Bronzeglocke, die 1978 im Hafenbecken von Haithabu gefunden wurde, hängt möglicherweise damit zusammen. Viele Funde aus Haithabu weisen zudem deutlich darauf hin, dass viele Einwohner bereits Christen waren – oder zumindest diesen neuen Gott aus dem Süden, den sie als ‚Weißen Christus‘ bezeichneten, einfach in ihren Götterhimmel integrierten. So betete man nicht nur zu Odin und Thor, sondern auch noch zu Jesus Christus. Der eindrucksvollste Hinweis darauf ist sicherlich eine in Haithabu gefundene Specksteingussform, in der sowohl christliche Kreuze wie auch heidnische Thorshämmer, das Symbol des Donnergottes Thor, gegossen werden konnten. Dieser sogenannte „Synkretismus“, das Vermischen heidnischer und christlicher Glaubensvorstellungen war möglich, weil es keine allgemeingültige, dogmatische heidnische Religion gab, die überall in Skandinavien ausgeübt wurde. Es gab auch kein Buch ähnlich der Bibel, in dem stand, woran man zu glauben hatte. Die berühmte „Edda“ (eigentlich die Eddas, denn es gibt zwei Werke dieses Namens), die faszinierende Sammlung von Mythen über die altnordischen Götter und Helden, wurde erst Jahrhunderte nach der Wikingerzeit niedergeschrieben. So war es möglich, den neuen Gott und einzelne Aspekte des Christentums sukzessive in die heidnischen Glaubensvorstellungen zu integrieren, bis das Christentum gegen Ende der Wikingerzeit das Heidentum weitestgehend abgelöst hatte. Die Wikingerzeit ist daher eine sogenannte „Transitionsphase“, eine Phase des Überganges von den alten heidnischen Glaubensvorstellungen zum Christentum.

Der aktuelle Podcast "ZEIT Geschichte. Wie war das nochmal?" widmet sich den Schiffen der Wikinger und nimmt dabei besonders die Schiffsfunde aus Haithabu in den Blick. Dazu durfte ich ausgiebig zu Wort kommen und über Haithabu und den Schiffsbau der Wikingerzeit sprechen.

Sommerzeit ist Reisezeit. Und wer an abenteuerliche Reisen denkt, denkt bei uns im Norden sicherlich zuerst an Wikinger. Aber wer ging in der Wikingerzeit tatsächlich auf Reisen? Auch wenn die Wikingerzeit für die meisten Menschen wohl hauptsächlich mit den charakteristischen Raubzügen verbunden ist, sind wohl nur die allerwenigsten Menschen im Nordeuropa der Wikingerzeit jemals weiter gereist als bis zum nächsten größeren Marktplatz. Die meisten Menschen blieben als Bauern, Fischer und Handwerker auf ihren Höfen und nur wenige Männer fuhren auf eine Plünder- oder Handelsfahrt, die sie auf teils Jahre andauernden Reisen bis weit in die arabische Welt führen konnte.

Aber es gab in der Wikingerzeit durchaus auch Menschen, die in einem fast schon modernen Sinne auf Reisen gingen. Das berühmteste Beispiel ist sicherlich die Isländerin Gudrid (altnord. Guðríðr Þorbjarnardóttir), die als ‚die Weitgereiste‘ in die Geschichte einging. Den Überlieferungen nach siedelte sie als junges Mädchen nach Grönland über und stach von dort um das Jahr 1010 n. Chr. mit ihrem Ehemann Thorfinn Karlsefni in See, auf der Suche nach dem legendären neuentdeckten Land im Westen: Vínland, die Ostküste Kanadas um Neufundland. Während ihres Aufenthaltes in Vínland soll Gudrid den Quellen zufolge ihren Sohn Snorri geboren haben, der damit der erste in Nordeuropa geborene Europäer wäre. Über Grönland reiste sie zusammen mit ihrem Mann und ihrem Sohn nach Island zurück und lebte viele Jahre mit ihrer Familie auf ihrem Hof bei Glaumbær im Norden Islands. Aber obwohl sie in ihrem Leben sicherlich mehr Zeit an Bord eines Schiffes verbracht und zweimal den Nordatlantik überquert hatte, schien Gudrid auch im höheren Alter ihre Abenteuerlust nicht verloren zu haben. Als ihr Sohn Snorri heiratet, entscheidet sie sich – nun fromme Christin – eine Pilgerreise nach Rom zu unternehmen. Viel ist den Quellen nicht über diese Reise zu entnehmen, aber wir wissen, dass Gudrid wohlbehalten aus Rom nach Island zurückkehrte und die letzten Jahre ihres Lebens als Nonne in der von ihrem Sohn Snorri bei Glaumbær errichteten Kirche verbrachte.

Die Reisen von Gudrid, die sie über 12.000 Kilometer von Island aus bis nach Nordamerika und Italien führten, sind sicherlich einzigartig und vermutlich sind die Überlieferungen auch an einigen Stellen mit der Zeit immer mehr ausgeschmückt worden. Dass lange Pilgerreisen, vor allem von Frauen der höheren sozialen Schichten, gegen Ende der nun zunehmend christlichen Wikingerzeit aber durchaus üblich waren, zeigt auch die Inschrift eines Runensteines aus Uppland in Schweden: „Ingirun, die Tochter Hards, ließ diese Runen ritzen zur Erinnerung an sich selbst. Sie möchte fern nach Osten nach Jerusalem reisen“.

Seit wenigen Wochen ist der Genuss von Cannabis in Deutschland erlaubt. Wie aber sah es in der Vergangenheit aus? Kannten die Wikinger schon Cannabis und konsumierten sie Drogen?

Das Bild von Cannabis als Droge von Hippies und anderen Gestalten hat sich in unserer Zeit gefestigt, aber auch schon im wikingerzeitlichen Skandinavien kann Cannabis in Form von Pollen, Samen, Früchten und Fasern erkannt werden. Aber wofür haben die Wikinger Cannabis genutzt?        
In einigen Gräbern in Skandinavien wurden Textilfragmente aus Hanffasern gefunden, die eine Nutzung der Pflanze zur Herstellung von Kleidungstextilien belegt. Eine Nutzung als Rauschmittel ist dagegen deutlich schwieriger zu erkennen. Ein möglicher Fall ist das berühmte Grab von Oseberg. In dem eindrucksvollen und reich ausgestatteten Schiffsgrab am Oslofjord waren zwei Frauen neben zahlreichen Alltagsgegenständen bestattet. Unter den Beigaben fanden sich auch einige Cannabis-Samen. Aufgrund der besonders auffälligen Bestattungsumstände wurde oftmals vermutet, dass es sich bei zumindest einer der beiden Frauen um eine Zauberin oder Priesterin gehandelt haben könnte. In einem rituellen oder magischen Kontext könnten die Cannabis-Samen als Halluzinogen zur Erzeugung von Trancezuständen verwendet worden sein. Die starke Arthritis der älteren der beiden Frauen könnte aber auch auf eine weitere Nutzung von Cannabishindeuten: als Schmerzmittel.

Vor wenigen Wochen ist ein Artikel im schwedischen Fachjournal 'Current Swedish Archaeology' erschienen, in dem ich zusammen mit meinem Kollegen Lukas Kerk von der Universität Münster einige theoretische Gedanken über die Aussagekraft von Körpermodifikationen insgesamt und die Bedeutung von Zahnfeilungen und Schädeldeformationen in der skandinavischen Wikingerzeit vorgestellt habe. Der Artikel hat zu unserer Überraschung ein enormes Presse-Echo gefunden - bis zum Smithonian Magazine in den USA - und wird nun auch in einem Beitrag in der Süddeutschen Zeitung besprochen.