Bei der Netlix-Woche ist ein Interview mit mir zu 'Vikings' und 'Vikings: Valhalla', zu historisch korrekten Wikingerdarstellungen und dem gegenwärtigen Sexappeal der Nordmänner, erschienen. Ich bin bekanntermaßen kein großer Freund dieser beiden Serien, da sie ein wenig korrektes Wikingerbild vermitteln. Aber ich sehe in meiner Arbeit im Museum tagtäglich, wie groß das Bedürfnis der Menschen heutzutage nach diesem 'Sehnsuchtsort Wikingerzeit' ist, dass wir offensichtlich als moderne Gesellschaft diese Vorstellung einer archaisch-wilden Vergangenheit brauchen. Und natürlich freue ich mich über das hohe Interesse an der Wikingerzeit. Daher kann ich dem gegenwärtigen Wikinger-Hype auch durchaus viel Positives abgewinnen und freue mich, mit Netflix ein offenes und kritisch-faires Gespräch über die Trend-Wikinger der Moderne und die 'echten' Wikinger der Vergangenheit geführt zu haben.
Kategorie: Blog
Runensteinfund aus Norwegen als ältester Nachweis der Runen?
Seit einigen Tagen begeistert der spektakuläre Fund eines Runensteines in Norwegen Archäologen und Runologen wie auch Geschichtsinteressierte gleichermaßen. Bereits im Herbst 2021 wurde die kaum mehr als 30x30 cm messende Sandsteinplatte bei Straßenbauarbeiten in der südnorwegischen Provinz Viken in einem Brandgrab gefunden. Auf dem „Svingerudsten“ getauften Stein sind mehrere Zeichenfolgen erkennbar, von denen einige als Runeninschriften im älteren Futhark identifiziert werden können, der Runenreihe, die ab den ersten Jahrhunderten nach Christus bis in die frühe Wikingerzeit üblich war. Darunter sticht besonders eine kurze Inschrift auf der mutmaßlichen Vorderseite des Steines hervor, die zweifelsfrei als „IDIBERUG“ entziffert werden kann. Möglicherweise handelt es sich dabei um einen Personennamen. Einige der übrigen Zeichenfolgen scheinen der Runologin Kristel Zilmer nach dagegen keine konkrete Bedeutung zu haben. Bei einigen der Gitter- und Zickzackmuster könnte es sich möglicherweise um Schreibversuche oder die Nachahmung von Runenzeichen handeln.
Spektakulär wird der Fund des „Svingerudsten“ jedoch durch die Datierung des Grabes, in dem er gefunden wurde. Radiokarbondatierungen an Knochenresten aus dem Grab zufolge wurde die Bestattung im 1. oder 2. Jahrhundert nach Christus angelegt. Eine Datierung in die frühe Phase der römischen Eisenzeit legen auch die wenigen erhaltenen Beigaben nahe. Damit handelt es sich bei dem „Svingerudsten“ um den ältesten bekannten Runenstein der Welt. Die bislang ältesten bekannten Runensteine – z. B. die Runensteine von Hogganvik, Tune oder Einang – datieren in das späte 3. oder 4. Jahrhundert nach Christus. Zugleich könnte es sich bei der Inschrift auf dem „Svingerudsten“ auch um eine der ältesten Runeninschriften überhaupt handeln. Der bislang sicher datierte früheste Beleg für Runen ist die Namensinschrift „HARJA“ auf dem Kamm von Vimose aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhundert nach Christus. Etwas älter ist die Fibel von Meldorf aus dem 1. Jahrhundert nach Christus, allerdings ist bislang noch unklar, ob es sich bei der Zeichenfolge auf der Fibel tatsächlich um Runen handelt.
Möglicherweise liegt damit nun mit dem „Svingerudsten“ der älteste Nachweis für die Nutzung von Runen vor. Mehr zu diesem spektakulären Fund gibt es >hier<.
Rezension zu Neil Price ‘Die wahre Geschichte der Wikinger’
In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift 'DAMALS' findet sich eine Rezension von mir zu dem neuen Werk 'Die wahre Geschichte der Wikinger' von Neil Price (S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2022, 752 Seiten, € 39,-).
Mit "Die wahre Geschichte der Wikinger" erscheint das lange erwartete Buch von einem der sicherlich renommiertesten Kenner der skandinavischen Wikingerzeit, dem in Uppsala lehrenden Professor Neil Price, auch auf Deutsch. Das Buch ist dabei keine umfassende Darstellung aller Aspekte der Wikingerzeit – dieser Anspruch würde selbst den Umfang dieses beeindruckenden Werkes sprengen. Stattdessen ist es der Versuch von Neil Price, das Phänomen ‚Wikinger‘ aus seiner Sicht nachvollziehbar zu machen.
Neil Prices "Die wahre Geschichte der Wikinger" eignet sich nicht unbedingt als Einstiegswerk zur Wikingerzeit, denn viele ebenso spannende wie wichtige Aspekte des Alltagslebens werden gar nicht oder nur kurz thematisiert. Auch richten sich Sprache und Inhalt eher an ein anspruchsvolles Publikum. Wer sich aber eingehender mit den großen Zusammenhängen der Wikingerzeit beschäftigen möchte, für den bietet Prices monumentales Werk einen exzellenten Zugang zu dieser faszinierenden Epoche.
Die volle Rezension findet sich hier: DAMALS. Magazin für Geschichte 01/2023, S. 57–58.
Diskussion zu den neuen Wikingerausstellungen in Kopenhagen und Stockholm
In der neuesten Ausgabe der archäologischen Fachzeitschrift ‚Current Swedish Archaeology‘ diskutiert der dänische Archäologe und Wikingerexperte Søren Michael Sindbæk, Professor an der Universität Aarhus, die beiden neuen Dauerausstellungen zu den Wikingern im Dänischen Nationalmuseum Kopenhagen und im Staatlichen Historischen Museum Stockholm. Der durchaus kritische Beitrag von Søren Sindbæk wird in mehreren kurzen Aufsätzen von einer Reihe von Fachkollegen kommentiert, darunter findet sich auch ein Beitrag von mir, der >hier< heruntergeladen werden kann.
Beitrag zu dem wikingerzeitlichen Massengrab von Weymouth im ZDF
Im Rahmen einer neuen Doku-Serie mit dem Namen 'Tatort Mittelalter' widmet sich eine Folge auch Fällen von heute schockierender Gewalt. Darin wird auch das wikingerzeitliche Massengrab aus dem englischen Weymouth thematisiert, zu dem ich als Interviewpartner meine Einschätzung abgeben darf. Die Folge kann >hier< in der Mediathek des ZDF abgerufen werden (ab Minute 30:40).
DAMALS-Themenheft zu den Wikingern
Die aktuelle Ausgabe des Geschichtsmagazins DAMALS (09-2022) enthält mehrere Kapitel zu den Wikingern mit Beiträgen von Rudolf Simek, Volker Hilberg, Dirk H. Steinforth, Alheydis Plassmann und mir. Die einzelnen Kapitel beschäftigen sich mit dem Mythos Wikinger (Simek/Toplak), den Raubzügen nach England und in das Frankenreich (Steinforth/Plassmann) und Haithabu als zentralem Platz der wikingerzeitlichen Welt (Hilberg).
Das aktuelle Heft lästs sich >hier< bestellen.
Portrait im ‘Schleswig-Holstein Magazin’ des NDR
In der letzten Woche kam im 'Schleswig-Holstein Magazin' des NDR eine Reportage über meine Arbeit im Wikinger Museum Haithabu. Die Reportage kann in der Mediathek des NDR hier geschaut werden.
Interview im Podcast “Helden und Pioniere” von Mare Radio
Vor ein paar Tagen durfte ich für den Podcast "Helden und Pioniere" von Mare Radio – Bremen Zwei ein bisschen über meine Sicht auf den Pioniergeist der Wikinger sprechen. Der gesamte Podcast kann hier angehört werden.
Fakt und Fiktion in ‘Vikings: Valhalla’
Für das österreichische Magazin 'DerStandard' bin ich gebeten worden, mir einmal ein paar Folgen des neuen 'Vikings'-Spin off 'Vikings: Valhalla' bei Netflix anzuschauen. Daraus ist ein Podcast geworden, den man sich >hier< in voller Länge anhören kann. Eine etwas gekürzte Version ist als schriftliches Interview >hier< sowie in der aktuellen Ausgabe von 'DerStandard' nachlesbar.
Neues zum Mythos des ‘Blutadlers’
Der sogenannte ‚Blutadler‘ gilt gemeinhin als die typische und enorm brutale Hinrichtungsmethode der Wikinger und wird gerne in medialen Darstellungen der Wikinger als makabrer Ausweis ihrer Grausamkeit dargestellt. Dabei sollen die Rippen des lebenden Opfers von der Wirbelsäule abgetrennt und zur Seite gebogen worden sein, um so den Eindruck von Adlerschwingen zu erwecken.
Der Blutadler (altnord. blóðǫrn) wird an verschiedenen Stellen in der altnordischen Literatur als Hinrichtungsmethode für hochrangige Persönlichkeiten – zumeist Könige – erwähnt. An einigen wenigen Stellen in der Literatur wird der Blutadler tatsächlich detailliert beschrieben. So heißt es bspw. in Kapitel 30 der Haralds saga hárfagra, der Saga des norwegischen Königs Harald Schönhaar (Haraldr hárfagri, gest. 933) aus Snorri Sturlusons Werk Heimskringla:
„Da ging Jarl Einarr zu Halfdan. Er ritzte einen Adler auf seinen Rücken in der Weise, dass er sein Schwert vom Rückgrat aus in die Bauchhöle stieß und alle Rippen von oben herab bis zu den Lenden abtrennte und die Lunge herauszog. Dies war der Tod Halfdans.“
(Þá gekk Einarr jarl til Hálfdanar. Hann reist ǫrn á baki honum þeima hætti, at hann lagði sverði á hol við hrygginn ok reist rifinn ǫll ofan á lendar, dró þar út lungun. Var þat bani Hálfdanar.)
An einigen anderen Stellen heißt es in den Sagas dagegen nur lapidar, dass ein Adler auf den Rücken des Opfers geritzt wurde (Reginsmál, Strophe 27: „Nun wurde ein Blutadler mit blutigem Schwert geritzt in den Rücken von Sigmunds Mörder“; Nú er blóðugr ǫrn – bitrum hjǫrvi – bana Sigmundar – á baki ristinn).
Ob der Blutadler in der Wikingerzeit tatsächlich ausgeführt wurde – archäologische Belege dazu fehlen nicht unbedingt überraschend bislang – oder ob es sich dabei nur um einen Mythos oder eine literarische Übertreibung handelt, ist in der Forschung lange kontrovers diskutiert worden.
Es kann sicherlich nicht wissenschaftlich ausgeschlossen werden, dass in der Wikingerzeit tatsächlich vereinzelt Menschen mit dem in den Quellen beschriebenen Blutadler getötet wurden, bspw. dann, wenn ein Exempel statuiert werden sollte oder eine Hinrichtung besondere Aufmerksamkeit bekommen musste und daher extrem grausam sein sollte.
Möglich ist auch, dass der Blutadler nur symbolisch zu deuten ist. In der altnordischen Dichtkunst, der Skaldik, wurde das Töten eines Gegners oft damit umschrieben, dass man ‚dem Adler (oder auch dem Raben) Fraß gab‘. Der Ausdruck ‚den Blutadler auf den Rücken ritzen‘ könnte demnach also auch bedeuten, dass man einen Feind dem Tod weihte oder tötete. Aus dieser bildhaften Umschreibung könnte sich der literarische Mythos des Blutadlers als brutale Verstümmelung und Tötung des Gegners entwickelt haben.
Eine neue anatomische Studie, publiziert in der Fachzeitschrift Speculum, hat nun mittels Simulationen mit medizinischer Computersoftware nachweisen können, dass die Praxis des Blutadlers, wie er bspw. in der Heimskringla beschrieben ist, zumindest anatomisch möglich ist, wenn er auch zu einem schnellen Verbluten des Opfers führen würde.
Die spannenden Ergebnisse der umfangreich recherchierten Studie belegen sicherlich nicht die faktische Existenz des Blutadlers, aber sie belegen, dass er aus medizinischer Sicht ganz praktisch hätte existiert haben können. Damit rückt der Mythos des Blutadlers ein Stück näher in die archäologische Wirklichkeit.
Wer sich für (Menschen)Opfer in der Wikingerzeit interessiert, dem sei die Arbeit meines schwedischen Kollegen Klas Wikström af Edholm ans Herz gelegt, der darüber seine Doktorarbeit geschrieben hat. Die vollständige Dissertation (allerdings auf Schwedisch) lässt sich >hier< herunterladen. Zudem findet sich in dem von mir herausgegebenen Sammelband ‚Die Wikinger: Seeräuber und Krieger im Licht der Archäologie‘, erschienen im Theiss-Verlag 2021, ein Aufsatz von Klas Wikström af Edholm auf Deutsch über Menschenopfer in der Wikingerzeit.