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Komik in der altnordischen Literatur

Wie in jeder der Unterhaltung dienenden Literatur, kommen auch in den altnordischen Sagas und den Eddaliedern an vielen Stellen komische Elemente vor, die eine unterhaltende und teilweise gleichzeitig auch moralische-lehrende Funktion erfüllen. Dabei muss erst einmal beachtet werden, dass die, für den heutigen Leser oft sehr derb wirkende, altnordische und generell mittelalterliche Komik nicht unter dem heutigen Begriff von Humor betrachtet werden darf, frei nach Shakespeares Aussage „a jest’s prosperity lies in the ear/of him that hears it, never in the tongue of him/that makes it“.

So basiert auch ein Großteil der Komik in der altnordischen Literatur auf Sexualität, Geschlechterrollen und Perversionen, auf menschlichen Schwächen und Lastern, auf Charakterkomik, bissigen Spottversen und Schadenfreude. Anders als in der christlichen Literatur, in der jede Form von Komik generell eher selten ist, darf ähnlich dem ‚homerischen Gelächter’ der griechischen Literatur im Altnordischen auch über die Götter gelacht werden. Gerade Spottverse und Geschlechterkomik spielen in der Götterkomik der Edda eine große Rolle. Eher satirische, teils gesellschaftskritische Anspielungen findet man als mahnendes Element dagegen vor allem in der Sagaliteratur. Darüber hinaus dienen Situations- und Dialogkomik, teilweise in Form frecher, sarkastischer kurzer Bemerkungen zur Auflockerung des Stoffes und zur reinen Erheiterung des Lesers.

In der Götterkomik der Edda dominiert dagegen eher der Spott über die Götter, die durch Schmäh-reden, obskure Situationen und hintergründige List der Lächerlichkeit preisgegeben werden, am Ende jedoch meist durch die Auflösung der Situationen ihre Würde behalten.

In der Thrymskviða wird dem Gott Thor von dem Riesen Thrymr sein Hammer gestohlen, der im Aus-tausch dafür die Göttin Freya zur Frau haben will. Auf Anraten Heimdalls wird Thor, die Manifestation des Männlichen, in „brúðar líni“ („Brautlinnen“) gebunden und als Freya verkleidet zu Thrymr nach Jotunheim gesandt. Bereits in diesen ersten Strophen der Thrymskviða wird der aufbrausende, bärtige Thor als Archetypus des Männlichen dem Spott preisgegeben. Seine Geschlechterrolle innerhalb der Mythologie wird um-gekehrt, da er in seiner Verkleidung als Frau anscheinend überzeugend wirkt, wie der Fortgang des Liedes zeigt, und es wird etwas derber, wenn auch indirekt, seine Sexualität in Frage gestellt, denn die Kleidung des anderen Geschlechts zu tragen, zeugt der altnordischen Literatur nach von Perversion, galt als ‚ragr’ („pervers“) und ist dem altisländischen Gesetzestext der Grágás nach verboten. Neben diesem Spott über Thor weist der Vorschlag Heimdalls, durch den er die, dadurch als dumm dar-gestellten Riesen zu überlisten sucht, einen hintergründigen und intelligenten Witz auf – Witz dabei in der ursprünglichen Wortbedeutung von ‚Gewitztheit’. Im weiteren Verlauf verschiebt sich die Komik des Liedes von der anfänglichen Schadenfreude über Thors unrühmliche Verkleidung zu einer Situationskomik mit schlagfertigen Dialogen. Beim Festmahl isst die ‚zarte Braut’ Thor mehr als Trymr jemals gesehen hat und auf dessen verwirrte Fragen reagiert der mitgereiste Loki als Begleiter der vermeintlichen Freya mit schlagfertigen Antworten, die in ihrer Ironie so auffallend sind, dass sie zum einen die Situationskomik über den verkleideten Thor noch verstärken und gleichzeitig den Riesen als begriffsstutzigen Lüstling („lysti at kyssa“ [„nach einem Kuss lüsternd“]) verspotten. Das Lied erreicht seinen Höhepunkt mit dem Wunsch Thryms, die Ehe durch Thors Hammer Mjölnir zu segnen und der den Hammer ironischerweise Thor in den Schoß legt. Thor ergreift den Hammer und die Gelegenheit, entledigt sich seiner Ver-kleidung und streift die, mit der Verkleidung einhergehende Schande ab, indem er, wieder ganz der zornige, männliche Donnergott, den Riesen Thrymr und sein ganzes Gefolge erschlägt und seinen Hammer zurückgewinnt und schlussendlich der Triumphierende ist.

Nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren auch andere Episoden aus der Edda, die mit dem Ansehen und den Attributen der Götter spielen und diese zuerst umkehren und letztendlich durch die Auflösung der Ereignisse das Ansehen und die Ehre der Götter wieder herstellen. In der Gylfaginning, der Täuschung Gylfis in der Snorra-Edda, werden Thor und seinen Gefährten Loki sowie zwei Dienern auf dem Weg nach Utgard und in der Halle Utgardlokis mehrere Aufgaben gestellt, die sie allesamt nicht lösen können. Während das Scheitern Lokis und des Dieners nahezu nebensächlich wirkt, wird erneut Thor der Lächerlichkeit preisgegeben, denn er scheint bereits an den einfachsten Aufgaben zu scheitern, dem Hochheben einer Katze, dem Austrinken eines Methorns und dem Niederringen einer alten Frau und seine überragenden Kräfte werden so in Frage gestellt. Der sonst immer überlegene Thor wird im Verlauf des Liedes zu einem lächerlichen Schwächling herabgesetzt, bis das Ende des Liedes die Auflösung bringt und die Aufgaben als tatsächlich unlösbar darstellt. Bei der Katze handelte es sich um die Midgardschlange, die Thor ein Stück hochheben konnte, das Methorn war das Meer, aus dem er so kräftige Schlucke genommen hatte, dass Ebbe und Flut entstanden und die alte Frau war das personifizierte Alter, dem er sich entgegenstemmen konnte. Diese Täuschungen, von Utgardloki inszeniert um Thor zu demütigen, verdeutlichen plötzlich in der Auflösung Thors gewaltige Macht und stellen sein, im Verlauf des Liedes angegriffenes Ansehen wieder her.

Auf Situationskomik wird in der Lokasenna, den Zankreden Lokis dagegen ganz verzichtet. Bei einem Gelage in Aegirs Halle werden die Asengötter reihum von Loki beleidigt und mit schmähenden Vor-würfen konfrontiert, die großteilig sexuelle Anspielungen enthalten. Die männlichen Götter werden als feige und faul bezeichnet und Loki wirft ihnen Unzucht und sexuelle Perversion („argr“, bzw. ‚ragr‘) vor. Die Göttinnen, die sich in die Zankreden Lokis einzumischen wagen, werden von diesem durch-gängig der Mannstollheit und Untreue ihren Gatten gegenüber bezichtigt, eine in der alt-nordischen Literatur eher seltene Situation, denn zumeist wird sexueller Spott nur auf Kosten von Männern gemacht, die als pervers und weibisch bezeichnet werden. Oft wird diesen widernatürliche Unzucht vorgeworfen wird, wie in einem Schmähgespräch im Sneglu-Halla þáttr, in dem der Protagonist Halli von König Harald beschuldigt wird, jede neunte Nacht sein Geschlecht zu wechseln und dann mit einem Troll Unzucht zu treiben. Neben dem Spott durch die Anschuldigungen Lokis ist es auch die Hilf-losigkeit der sonst so mächtigen Götter, sich gegen Lokis Schmähungen zu erwehren, die dem Lied einen skurrilen Humor verleiht. und erst der später hinzukommenden Thor kann Loki mit seinem Hammer vertreiben. Gleichzeitig bestätigt er damit teilweise Lokis Vorwürfe, denn mit Ausnahme von Thor, der nach Loki sowieso alle Probleme mit Gewalt löst und schnell zum Hammer greift, hat keiner der anderen Götter den Mut gegen Loki vorzugehen oder ihm auch nur verbal Einhalt zu bieten, ganz so wie Loki es ihnen aufgrund ihrer feigen, faulen und weibischen Art vorgeworfen hat. Anders als bei den beiden vorher beschriebenen Beispielen löst sich der Konflikt und der Spott über die Götter nicht auf. Zwar wird Loki endgültig (d.h. bis Ragnarök) von den Göttern außer Gefecht gesetzt, aber die Anschuldigungen gegen sie werden nicht entkräftet, sondern durch ihr Verhalten eher bestärkt und bleiben damit an ihrem Ansehen hängen, frei nach „Audacter calumniare, semper aliquid haeret“.

Die Komik der Lokasenna erscheint damit weitaus härter und weniger ‚unschuldig’ als in den voran-gehenden Beispielen für Götterkomik, in denen zwar mit dem Ansehen der Götter gespielt wurde und sie auf eine noch harmlose Art dem Spott des Leser preisgegeben wurden, sie am Ende jedoch immer aus eigener Kraft ihre Würde zurückgewannen. In der Lokasenna verbleiben dagegen nur noch derbe, meist sexuelle und ehrenrührige Beleidigungen, das gesamte nordische Pantheon wird mit beißendem Hohn bedacht, eine Schmähung, wie es in keinem anderen Eddalied vorkommt. Franz Rolf Schröder hat die Lokasenna daher in die Tradition der griechischen Symposien-Literatur gestellt, die ebenfalls auf dem zentralen ‚Streit-Motiv’ basiert. Auch lässt sich, wie schon eingangs angeführt, gerade in der griechischen Literatur wie in den homerischen Epen und dem Satyrspiel der Tragödie teils derbe Götter-burleske finden, wie sie auch in der Lokasenna vorkommt.

Wesentlich harmloser erscheint da der Disput des Hárbarðljóð, in dem Thor mit einem Fährmann namens Hárbarð streitet, bei dem es sich vermutlich um seinen Vater Odin handelt. Thor wünscht von dem Fährmann über einen Sund gesetzt zu werden, aber dieser verweigert ihm die Überfahrt und macht sich im Verlaufe des Liedes über Thor in einer schwankhaften Parodie des altnordischen ‚Männer-vergleichs’ („mannjafnaðr“) lustig. Thor versucht Hárbarð mit seinen Ruhmestaten im Kampf gegen die Riesen zu beeindrucken, dieser kontert jedoch, indem er mit listigen Frauenabenteuern prahlt und führt so den, rein auf Gewalttaten und Kampf ausgerichteten Thor als stumpfen Bauerngott vor. Zwar wird auch hier von Thor, der wieder einmal als nicht sonderlich wortgewandt dargestellt wird, die ernsthafte Beleidigung ‚ragr’ gegen Hárbarð gerichtet, aber abgesehen davon glänzt das Lied durch den Wortzwitz und die Schlagfertigkeit des Hárbarð, der Thors Prahlerei vollkommen ins Leere laufen lässt und unter-gräbt sowie durch eine gewisse Situationskomik. Sollte es sich bei Hárbarð tatsächlich um Odin handeln, so würde Thor, der nur allzu gerne bereit ist, seinen Namen zu nennen und mit seiner Ab-stammung zu prahlen, seinen eigenen Vater nicht erkennen, eine Szenerie, die mit dramatischem Aus-gang auch aus dem Hildebrandslied bekannt ist. Im Hárbarðljóð endet der Disput jedoch ohne große Folgen, Thor muss unverrichteter Dinge weiterziehen, geschlagen von der bissigen Ironie und Schlag-fertigkeit des Fährmannes. Was jedoch zuerst nach einer ansehensschädigenden Niederlage Thors aus-sieht, muss teilweise revidiert werden, wenn Hárbarð tatsächlich mit Odin gleichgesetzt werden kann, was jedoch an keiner Stelle des Liedes explizit erwähnt wird. Denn gegen Odin, den Gott der Dicht-kunst, der als listig und mitunter auch als heimtückisch dargestellt wird, einen verbalen Schlagabtausch zu verlieren, erscheint für den grundsoliden Bauerngott Thor als keine große Schande. Nach Arnulf Krause mag das Lied auch eine gesellschaftliche Komponente enthalten, wenn Hárbarð in der Strophe 24 betont, Odin gehörten die Adeligen („Óðinn á jarla“), Thor nur die Knechte („enn Þórr á þræla kyn“). Eine weitere, familiär-gesellschaftliche Deutung wäre jedoch auch der Gegensatz Vater – Sohn, nicht nur der Gegensatz Adel – Knechte, der auch Thors angeschlagenes Ansehen wieder etwas her-stellen würde, denn dem eigenen Vater zu unterliegen, sollte in einer so patriarchalischen Gesellschaft keine Schande bedeuten.

Schmähreden und Spott finden sich auch in der Sagaliteratur, anders als in der Götterkomik kann in einigen Sagas Komik jedoch auch in Form von Satire als beißende Sozialkritik aufleuchten, exem-plarisch stehen dafür die Bandamanna saga und der Ölkofra þáttr.

In der Bandamanna saga nimmt der Vater eines erst klagenden und dann selbst angeklagten Bauern durch Bestechung der Goden zu Gunsten seines Sohnes zweimal Einfluss auf das Urteil. Eine eigentlich gerechtfertigte Anklage wegen Totschlags wird von den Goden aus Formfehler abgelehnt, Ofeig, der Vater des klagenden Oddr nimmt daraufhin durch Bestechung der Goden Einfluss auf das Urteil und es wird gegen Ospakr, den früheren Verwalter Odds die Acht ausgesprochen. Auf dem Thing hält Ofeig eine Ansprache, in der er die Fehler des stark auf Form und Formulierungen basierenden Rechtssystems anprangert – für viele zeitgenössische Leser sicherlich berechtigt – um dann selber durch Bestechung seine eigenen moralischen Vorwürfe ad absurdum zu führen. Als Reaktion auf diesen Prozess klagen die Goden daraufhin wiederum Oddr wegen Bestechung an, obwohl dieser damit gar nichts zu tun hat. Wieder besticht Ofeig einzelne Goden zu Gunsten eines milden Urteils gegen seinen Sohn, unter anderem indem er sich als alt und hilflos darstellt und den Goden schmeichelt. Während des zweiten Prozesses wegen Bestechung hält Ofeig Schmähreden auf die Goden und nutzt gleichzeitig das marode altisländische Rechtssystem zu seinen Gunsten aus. Die Verkündung des milden Urteils zu Ungunsten der Goden führt zu einem erbitterten Streit unter den Goden, die sich daraufhin öffentlich gegenseitige Verfehlungen vorwerfen.

Durch den Zwist und die Beschimpfung der Häuptlinge wird die gesellschaftliche führende Klasse lächerlich gemacht. Spott über Höhergestellte ist wohl in fast allen Kulturen beliebt, um dem Volk die Möglichkeit zu geben, durch Spott und Schadenfreude das Gefühl von Unterlegenheit und sozialer Ungerechtigkeit zu kompensieren. Es gibt Gelegenheit sich schadlos an den Führenden zu rächen und entlarvt sie als ebenso fehlerhaft und menschlich wie das übliche Volk, ein wichtiger Zug, der auch in den Schmähreden Broddis im dem Ölkofra þáttr nochmals detailliert auftritt. Die sonst gesellschaftlich Höherstehenden werden durch Spott herabgesetzt und der Schadenfreude ausgesetzt. Dieser, zuerst einmal rein auf persönlicher Ebene diffamierende Spott erreicht in der Bandamanna saga durch den berechtigten Vorwurf der Korruption an die Goden die Dimension einer beißenden Sozialkritik. Das gesamte altisländische Rechtssystem basiert auf dem Ansehen, bzw. der Größe der Anhängerschaft des Einzelnen und wird hier durch Ofeig vollends ad absurdum geführt, indem dieser nicht bloß eine große Anhängerschaft, sondern direkt die richtenden Goden kauft. Das in Gerichtsverhandlungen maßgebliche Ansehen des Einzelnen wird auf die einzige faktische Grundlage reduziert, nämlich dessen Reichtum und weist damit polemisch auf das mit Sicherheit von einem Großteil der Bevölkerung als ungerecht angesehene grundlegende Problem der altnordischen Justiz hin, wie es auch bei dem bußfaulen Goden Hrafnkell in der Hrafnkels saga freysgoða erwähnt wird.

Ähnlich wird auch in dem Ölkofra þáttr Komik dazu benutzt, durch den schelmischen (niðr) Broddi gesellschaftliche Missstände wie die Überheblichkeit der Mächtigen, die sich bspw. in der Figur des Goden Hrafnkell in der Hrafnkels saga freysgoða zeigt, anzuprangern. Broddi übernimmt die Thing-sache des namensgebenden Thorhall, der allen nur als Ölkofri bekannt ist. Dieser hatte aus Versehen den Wald einiger Goden niedergebrannt, sollte dafür angeklagt werden und stellt das sagatypische Ziel für Schadenfreude dar. Obwohl er weder Einfluss noch Freunde hat, wird er als geiziger und un-sympathischer Prahlhans dargestellt, der seine ganze Selbstgefälligkeit verliert, als er mit der Anklage konfrontiert wird und sich jämmerlich weinend den Mächtigen anbiedert, so dass er Schadenfreude und Spott des Lesers weckt. Nach dieser eher situationsbedingten Charakterkomik sind es die Schmähreden Broddis gegen die richtenden Goden, die dem þáttr seinen gesellschaftskritischen Humor verleihen. Es sind dabei keine Bestechungen, die Broddi nach seinen Schmähreden gegen die führenden Personen vor einer Anklage schützen, sondern Schmeichelein und Geschenke an die Mächtigen. Dabei verbindet sich der eher derbe Spott der vorhergehenden Schmähreden, in denen den Goden „Faulheit und Feigheit“ vorgeworfen wurde, mit einer gewissen Situationskomik, wie Broddi sich – ähnlich dem Loki – durch Einschmeichelung allen Zugriffen entzieht, erneut zu einer zynischen Satire auf die selbstgefälligen und arroganten Mächtigen, deren tatsächliche kleinmütige, selbstverliebte und vollkommen unreflektiert Art so dem Leser vor Augen geführt wird.

In der Bandamanna saga, wie auch dem Ölkofra þáttr wird Situations- und Dialogkomik effektiv genutzt, um die moralischen und gesellschaftlichen Instanzen zu demaskieren und dem Spott des breiten Publikums preiszugeben. Dadurch wird zwar sicherlich nicht die gesamte soziale Ordnung, aber doch das korrupte und willkürliche Rechtssystem der Sagazeit kritisiert, ähnlich wie Till Eulenspiegel hält der Verfasser der Saga durch Spott und Komik den Spiegel vor das Gesicht der Mächtigen und weist deren Unzulänglichkeiten auf.

Neben dieser Funktion von Komik als Möglichkeit der satirischen Kritik werden humoreske und komische Elemente, wieder in Form meist skurriler Situationen und schlagfertiger Repliken in der Saga-literatur an vielen Stellen zur Auflockerung des Stoffes genutzt. Dabei spielt in der Situationskomik Schadenfreude eine große Rolle, menschliche Schwächen werden überspitzt dargestellt oder treten in besonderen Momenten stark hervor. So z.B. der Feigling Þórðr inn huglausir in der Gísla saga, der in gewisser Weise als Beispiel für den in vielen Sagas vorkommenden Feigling, den Gegensatz, die Folie für die echten Helden der Sagas darstellt, so neben der reinen Erheiterung ob seiner Charakterschwäche auch eine literarische Funktion erfüllt. Auch rein skurrile Situationen ohne literarischen Hintergrund entsprechen dem altnordischen Komikbegriff, im Sneglu-Halla þáttr wird über das unförmige Aussehen der Titelperson gespottet und der Zwerg Túta erzeugt mit seinem Auftritt in einer viel zu großen Brünne Gelächter.

Höher geschätzt als pure Groteske wurde jedoch Schlagfertigkeit und Witz zur Lösung von Problemen aber auch lakonisch im Angesicht des Schicksals. So sind es weniger die teils recht derben und zotigen sexuellen Beleidigungen über Perversion, Geilheit und Unzucht mit Trollen, mit denen Sneglu-Halli König Harald und die englische Königin bedenkt, welche den þáttr besonders humorvoll erscheinen lassen, sondern die Gewitztheit Hallis, die sich in Form von Situationskomik (Halli soll beim englischen König mit Silber übergossen werden und alles behalten dürfen, was auf seinem Kopf liegen bleibt. Daraufhin formt er seine Haare mit Teer zu einer Schale) und Dialogwitz (er gibt sich in langen Strophen als seekrank aus, um während einer Schiffsfahrt nicht arbeiten zu müssen) zeigt. Mit purer Dreistigkeit erreicht Halli durch die Androhung eines schlimmen Spottverses die Buße für seinen angeblichen Bruder, nachdem ein Mann am Königshof mit einem Totschlag geprahlt hat. Und auf die Frage, ob er seinen Vater gerächt habe, berichtet er von einem Königsmann, der den Mörder seines Vaters sogar aufgegessen hätte, nachdem sein Vater durch einen Unfall von einem Kalb erdrosselt worden war. Auch im Þáttr þorsteins skelks wird Einfallsreichtum zur Lösung von Problemen als lobenswerte Eigenschaft dargestellt, der Protagonist Þorstein überlistet durch seine geschickten Fragen den Teufel Púki, als dieser ihn auf dem heimilishúss – dem Abort – in die Höllen holen will, eine skurrile Mischung von Situationskomik und intelligentem Dialogwitz.

Zu den Eigenschaften großer Sagahelden gehört jedoch auch eine lakonische Schlagfertigkeit im An-gesicht des Schicksals, der Todes, ob der eigene oder der anderer wird ebenso mit stoischem Zynismus zur Kenntnis genommen wie sonstige Schicksalsschläge. Dies „er gott félag at eiga við konung“ („dies ist guter Besitz, den man mit dem König zusammen hat“) bemerkt Þórólf in der Egils saga nach der Beraubung seines Schiffes durch König Harald nur kurz und bei seinem Tod durch die Speere und Schwerter der Königsmannen kommentiert er seinen, zu seiner Todeswunde führenden Fehler schlicht mit „nú gekk ek þremr fótum til skammt“ („nun ging ich drei Schritte zu kurz“). Solche Kommentare sollten auf der einen Seite der Unterhaltung dienen und die Saga auflockern, auf der anderen Seite war eine stoische, durch nichts zu erschütternde Ruhe, auch im Angesicht des Todes eine Eigenschaft, die einen Mann auszeichnete. Seinem Todesstoß begegnet Atli in der Grettis saga nur mit „þau tíðkast hin breiðu spjótin“ („sie kommen in Mode, die breiten Speere“) und auf die Frage, warum er einen Hirten erschlagen habe, antwortet Þorgeir in der Fóstbroeðra saga lapidar „er hann stoð svá vel til höggsins“ („weil er so gut für den Hieb stand“).

Auch ein doppelter Komikbegriff lässt sich in der altnordischen Literatur finden, eine gewisse Komik über die Komik. In der Egils saga will der 80jährige Egil auf dem Thingffeld Silbermünzen verstreuen, um sich darüber zu amüsieren, wie die Leute sich darum schlagen. Ähnlich wie bei einigen Spottversen und geistreichen Beleidigungen wird hier der Humor Egils selbst zum Gegenstand der Komik, der Leser schmunzelt über den Einfall des mittlerweile greisen Egil, der noch immer eine diebische Freude daran empfindet, die Menschen nach seinem Willen handeln zu lassen und ihnen ihre eigene Schwäche, die Geldgier, vor Augen führt.

Auf zwei Ebenen spielt sich auch der Humor in einer Szene der Þiðreks saga ab. Der als Hure ver-kleidete Apollonius erfindet für einige junge Mädchen ausufernde Bettgeschichten, diese amüsieren sich dabei über die mannstolle und in ihren Augen sicherlich auch nicht sonderlich ansehnliche Hure und befriedigen dabei ihr Interesse an sexuellen Geschichten. Gleichzeitig moquiert sich Apollonius über die einfältige Erheiterung der Mädchen über seine erfundenen Geschichten und darüber, dass sie seine Verkleidung nicht durchschauen. Hier findet sich auf der einen Ebene schlichte sexuelle Komik über den Geschlechtertausch des Apollonius, gleichzeitig die Situationskomik, dass die Mädchen diese, sicherlich recht offensichtliche Verkleidung nicht durchschauen und er mit ihrer unreifen Erheiterung spielt und auf der zweiten Ebene Spott über die Begeisterung der Menschen für derben sexuellen Humor. Eine solche Satire auf die sexuelle Komik und die Erwartungen und Erheiterungen der Leser findet sich in derselben Saga wenig später nochmals. Hier wird direkt mit den Erwartungen des Lesers gespielt. Þetleifr und die Tochter Sigurðs tändeln abends miteinander, nachts steigt sie daraufhin zu ihm ins Bett, jedoch nicht um mit ihm zu schlafen, wie der Leser nun erwarten würden. Komik entsteht hier erst durch den spöttischen Kommentar des Verfassers, zwei Personen in einem Bett würden von den Flöhen nur halb so oft gebissen.

Die untere Ebene der Komik ist hierbei die Situations- und Dialogkomik im Text selber, über die sich die Protagonisten (bspw. Apolloniuns und die Mädchen) amüsieren, die darüber liegende, abstraktere Ebene des Humors ist die Ironie über den sexuellen Humor der Menschen durch den Verfasser und ggf. auch durch den Leser, der seine eigenen Freude über schlichte sexuelle Komik erkennt und seine eigenen Erwartungen an den Fortgang der Handlung getäuscht sieht.

Wie aufgezeigt erfüllen Komik und Humor in der altnordischen Literatur verschiedene Funktionen, sie dienen der schlichten Unterhaltung des Lesers, teils in Form fröhlicher Erheiterung aufgrund witziger Dialoge und Schlagfertigkeiten, teils in Form von derbem Spott und Schadenfreude über das Schicksal und die Charakterschwäche anderer. Daneben kann Komik wie in einigen Götterliedern zur ‚Über-höhung’ der Götter genutzt werden, erst werden sie humoresk lächerlich gemacht, dann aber durch die Auflösung der Geschichten wird ihr Ansehen wieder hergestellt. In den Sagas findet sich Komik neben den rein unterhaltenden Episoden auch als Ironie und Satire zur Kritik an gesellschaftlichen und sozialen Missständen. Diese Form von Komik abseits einer rein literarischen und erbaulichen Funktion stellt wohl die herausragendste Art von Humor in der altnordischen Literatur dar und widerspricht dem Vorurteil, im Altnordischen wäre nur über derbe und oft zotige Dinge gelacht worden.