Auch der aktuelle Podcast von ZEIT Geschichte. Wie war das nochmal? widmet sich der Wikingerzeit und der vermutlich derzeit meist gestellten Frage: Gab es weibliche Krieger in der skandinavischen Wikingerzeit und welche Bedeutung hat dabei das ominöse Kammergrab Bj 581 aus Birka. Dazu wurde ich von den Redakteuren von ZEIT GEschichte befragt und herausgekommen ist ein ebenso anschaulicher wie gut recherchierter und teilweise auch sehr kritisch hinterfragender Podcast, den man sich >hier< anhören kann.
Schlagwort: Bestattungssitten
Presse-Echo zu Fachartikel über Zahnfeilungen und Schädeldeformationen
Vor wenigen Wochen ist ein Artikel im schwedischen Fachjournal 'Current Swedish Archaeology' erschienen, in dem ich zusammen mit meinem Kollegen Lukas Kerk von der Universität Münster einige theoretische Gedanken über die Aussagekraft von Körpermodifikationen insgesamt und die Bedeutung von Zahnfeilungen und Schädeldeformationen in der skandinavischen Wikingerzeit vorgestellt habe. Der Artikel hat zu unserer Überraschung ein enormes Presse-Echo gefunden - bis zum Smithonian Magazine in den USA - und wird nun auch in einem Beitrag in der Süddeutschen Zeitung besprochen.
Monographie zu dem wikingerzeitlichen Gräberfeld von Havor auf Gotland veröffentlicht
Mit einer leichten, coronabedingen Verspätung ist zu Ostern endlich meine Monographie zu den spätwikingerzeitlichen Bestattungen auf dem gotländischen Gräberfeld von Havor veröffentlicht worden. Die Arbeit ist das Endergebnis meiner vierjährigen Forschung im Rahmen des SFB 1070 an der Universität Tübingen von 2017–2021 und in mehrfacher Hinsicht für mich ein sehr emotionaler Abschluss. Ursprünglich war geplant, die Arbeit gemeinsam mit meinem Doktorvater und späterem Chef Professor Jörn Staecker (27.04.1961–15.12.2018) zu schreiben, als Ergebnis seiner langjährigen Beschäftigung mit der gotländischen Wikingerzeit. Aufgrund seines tragischen frühzeitigen Todes konnte dieser Plan nicht mehr umgesetzt werden. Darüber hinaus ist diese Publikation voraussichtlich mein letzter umfangreicherer Beitrag zur Erforschung der gotländischen Wikingerzeit – ein Themenfeld, das mich seit Beginn meiner Dissertation vor fast 12 Jahren auf eine einzigartige Art und Weise begeistert hat – und auch voraussichtlich vorerst meine letzte Monographie.
Inhaltlich untersucht die Arbeit die spätwikingerzeitlichen Bestattungen auf dem Gräberfeld von Havor, Hablingbo sn, auf Gotland und im Besonderen die Art und Weise, wie in den Bestattungen von Havor die Erinnerungen an und Vorstellungen von Vergangenheit auf der einen und kulturelle Veränderungen auf der anderen Seite zur Konstruktion von spezifischen Identitäten instrumentalisiert wurden. Dieses Vorgehen, besonders durch den Aufgriff älterer Bestattungstraditionen und die Nachnutzung älterer Grabanlagen, erlaubt Rückschlüsse auf die Wahrnehmung einer mythischen Vergangenheit in der Wikingerzeit und auf die diskursive Ebene von Erinnerungen und Traditionen als soziale und identitätsstiftende Konstrukte. Die ersten Kapitel stellen eine reine Materialauswertung und -betrachtung des Gräberfeldes und seines Siedlungsumfeldes als Ganzes, der wikingerzeitlichen Bestattungen im Speziellen sowie der gesamtgotländischen Entwicklung von der frühen Eisenzeit bis in die späte Wikingerzeit dar. Darauf folgt eine ausführliche Theoriediskussion dazu, was Bestattungen und Gräber – über die reine "Entsorgung" eines menschlichen Verstorbenen – eigentlich sind und wie in Havor die Instrumentalisierung (oder Konstruktion?) der eigenen Vergangenheit fassbar wird.
Die Monographie kann in wenigen Monaten auch als Printversion bei der Universität Tübingen bestellt werden. Seit letzter Woche ist sie als PDF frei über den Open Acess-Bereich der Universitätsbibliothek abrufbar.
Neue Publikation online
Seit dieser Woche ist eine englischsprachige Auswertung meiner Arbeit zu den spätwikingerzeitlichen Bestattungen auf dem gotländischen Gräberfeld von Havor online. Der Artikel ist in der schwedischen Fachzeitschrift 'Fornvännen' erschienen und untersucht, wie in der späten Wikingerzeit die eisenzeitliche Vergangenheit wahrgenommen und instrumentalisiert wurde, gewissermaßen die Sicht auf die Vergangenheit in der Vergangenheit. Die Untersuchung ist Teil eines größeren Forschungsprojektes, dem ich mich von 2017–2021 gewidmet habe und das Anfang des kommenden Jahres als deutschsprachige Monographie publiziert wird. Der nun erschienende Aufsatz "Resources in Death: Late Viking Age Burials in the Cemetery of Havor, Hablingbo sn, on Gotland" kann >hier< heruntergeladen werden.
Neue DNA-Analyse zu einem wikingerzeitlichen mutmaßlichen Frauengrab mit Schwert aus Finnland
Bereits seit mehr als 50 Jahren ist das berühmte, mutmaßliche Frauengrab von Suontaka Vesitorninmäki aus der südfinnischen Gemeinde Hattula bekannt. Bei Grabungsarbeiten war ein Schwert mit einem ungewöhnlichen, komplett aus Bronze gegossenen Griff gefunden worden. Die Entdeckung des Schwertes führte zu weiteren Untersuchungen, bei denen eines der spannendsten Gräber der späten finnischen Wikingerzeit freigelegt wurde.
In dem Grab war ein Individuum in typisch weiblicher Tracht beigesetzt worden, mit Schmuckbeigaben, einer Sichelklinge, die auf dem Brustkorb des Leichnams lag, sowie einer Schwertklinge ohne Griff an oder auf der linken Körperseite. Das zu Beginn der Grabungsarbeiten aufgefundene Schwert mit dem Bronzegriff gehörte jedoch – anders als lange Zeit vermutet – nicht zu den ursprünglichen Grabbeigaben, sondern wurde erst später in dem Grab deponiert.
Ausgehend von diesen Befunden wurde das Grab von Suontaka lange als Paradebeispiel für die Bestattung einer angesehenen und vermutlich auch politisch einflussreichen Frau gedeutet, die zum Zeichen ihrer Macht mit zwei Schwertern beigesetzt wurde. In der gegenwärtigen Diskussion um Geschlechterrollen und mögliche weibliche Krieger in der skandinavischen Wikingerzeit wurde das Grab von Suontaka daher immer als wichtiges Argument für die Beteiligung von Frauen an Kampf und Krieg angeführt, zumal aus der finnischen Wikingerzeit eine Reihe von Frauengräbern mit einzelnen Waffen wie Äxten oder Speeren bekannt sind.
Die neuen DNA-Untersuchungen aber zeigen ein weitaus komplexeres und viel spannenderes Bild auf.
Die DNA des in dem Grab bestatteten Individuums zeigte Hinweise auf das sogenannte Klinefelter-Reifenstein-Albright-Syndrom. Bei dieser angeborenen Chromosomenanomalien weisen Männer zusätzlich zu einem X- und einem Y-Chromosom ein weiteres X-Chromosom auf (Karyotyp XXY). Diese Anomalie führt zu einer unterschiedlich starken Hodenunterfunktion und damit zu einem geringeren Testosteron-Spiegel, der sich in mehr oder weniger stark ausgeprägten Symptomen äußeren kann, wie z. B. einer verringerten oder fehlenden Spermienfunktion, spärlichem Bartwuchs, verminderter Muskelmasse oder Brustwachstum (Gynäkomastie). Abhängig von der Ausprägung der Symptome kann die Chromosomenanomalien unbemerkt bleiben. Es ist aber durchaus denkbar, dass das in dem Grab von Suontaka bestattete, biologisch männliche Individuum aufgrund dieser Chromosomenanomalien von der Gesellschaft nicht als Mann, sondern – darauf deutet die Frauenkleidung hin – als nicht-binär wahrgenommen wurde, als Mensch zwischen beiden Geschlechtern. Die reichen Beigaben belegen jedoch eindrucksvoll, dass das Individuum – wie auch immer das soziale Geschlecht (das gender) gewesen sein mag – durchaus respektiert und angesehen gewesen sein muss.
Die DNA-Analysen des Grabes von Suontaka werfen ein völlig neues Licht auf die derzeit heiß umstrittene Frage nach sozialen Geschlechtsidentitäten in der Vor- und Frühgeschichte (und in der Wikingerzeit im Speziellen). Sie geben Anlass zu der Vermutung, dass in der skandinavischen Wikingerzeit unter bestimmten Umständen auch mehr als nur zwei soziale Geschlechter existieren konnten.
Mehr dazu findet Ihr auch >hier<.
Neue wissenschaftliche Publikation online
In dem Sonderforschungsbereich 'RessourcenKulturen' (SFB 1070), in dem ich die letzten Jahre an der Universität Tübingen gearbeitet habe, haben wir nun als Ergebnis der letzten Förderphase einen Sammelband herausgegeben, in dem wir aus unterschiedlichen Perspektiven die Definition und Bedeutung von ‚Ressourcen‘ diskutieren. Der gesamte Band kann hier kostenlos heruntergeladen werden.
In meinem Beitrag habe ich mich damit beschäftigt, wie Bestattungen und Gräber in der Wikingerzeit als eine Art von Ressource genutzt worden sein könnten, um dadurch eine spezifische Identität zu signalisieren und so Ansprüche auf Besitz oder Herrschaft zu präsentieren oder zu konstruieren. Mein Beitrag kann hier heruntergeladen werden.
Neue Theorie zur symbolischen Bedeutung der Schiffsgräber
Eine neue Theorie zu der symbolischen Bedeutung der Schiffsgräber in der Vendel- und Wikingerzeit wurde vor Kurzem von dem norwegischen Archäologen und Schiffsexperten Jan Bill, Professor für Archäologie der Wikingerzeit an der Universität Oslo und Kurator des Wikingerschiffsmuseums, vorgeschlagen.
Ausgehend von zwei Passagen in dem angelsächsischen Heldenepos Beowulf bringt Bill in einem Kapitel in dem Ergänzungsband zum Reallexikon der Germanischen Altertumskunde 'Rulership in 1st to 14th Centrury Scandinavia' (hier kostenfrei als pdf einsehbar) die Schiffsbestattungen vom 7.–9. Jahrhundert mit einem mythischen Herkunftsmythos des dänischen Königshauses in Verbindung, der für das Selbstverständnis und möglicherweise auch die Legitimierung der vorchristlichen Herrscher von Bedeutung gewesen sein könnte.
Das titellose und heute nach dem Helden Beowulf (Bienen-Wolf, eine poetische Umschreibung – kenning – für ‚Bär‘, nach anderen Quellen auch Beadowulf, ‚Kriegs-Wolf‘) benannte Epos ist der bedeutendste angelsächsische Text und sicherlich eines der prägendsten Heldenepen der Geschichte. Es wurde vermutlich im 8. Jahrhundert komponiert, möglicherweise basierend auf einer noch älteren Fassung, ist aber nur durch eine einzige Kopie aus dem frühen 11. Jahrhundert überliefert. Das in einem westsächsischen Dialekt in angelsächsischen Stabreimen verfasste Gedicht schildert in zwei Teilen die Erlebnisse des gautischen (aus dem Bereich des heutigen Götaland im mittleren Südschweden) Helden Beowulf. Dieser reiste mit einer Schar seiner Gefährten an den Hof des dänischen Königs Hrothgar, um diesem dort im Kampf gegen das Ungeheuer Grendel beizustehen, das die Halle des Königs heimsucht. Nach dem Sieg über Grendel und dessen Mutter kehrt Beowulf nach Götaland zurück und erringt dort die Krone. Sein Reich wird jedoch von einem Drachen bedroht, dem er sich im Kampf stellen muss. Zwar besiegt Beowulf den Drachen, wird jedoch von diesem tödlich verwundet.
Zentral für die von Bill vorgeschlagene Theorie ist die Beschreibung von Skjöld (im Beowulf als Scyld Scefing), dem legendären Stammvater der dänischen Skjöldungen-Dynastie. Skjöld ist auch aus mehreren späteren Quellen bekannt – darunter Snorri Sturlusons Edda und der ebenfalls von ihm verfassten Ynglinga saga in der Heimskringla, der Geschichte der norwegischen Könige, oder aus Saxo Grammaticus‘ Gesta Danorum. Im Beowulf wird beschrieben, wie Skjöld als Kind in einem Schiff und ausgestattet mit wertvollen Waffen an den Küsten Dänemarks angetrieben und vom dänischen König adoptiert wird. Als Erbe des dänischen Herrschers begründet dieses fremde und dem Mythos nach direkt vom Gott Odin abstammende Kind somit eine neue Königsdynastie. Auch bei seiner Bestattung spielt das Schiff wieder eine zentrale Rolle: Auf seinen eigenen Wunsch wird sein Leichnam, wieder mit seinen Waffen, in einem Schiff auf das Meer hinausgeschoben und verschwindet in den Fluten.
Der Mythos dieses fremden und von den Göttern abstammenden Herrschers war, wie die späteren Quellen nahelegen, von großer Bedeutung für das Selbstverständnis und die Legitimität der dänischen Könige in der vorwikingerzeitlichen Vendelzeit und der frühen Wikingerzeit. Der durchaus überzeugenden Theorie von Jan Bill nach könnten die Schiffsbestattungen als Aufgriff dieses Mythos gedeutet werden: Durch die Bestattung in einem Schiff sollte die Abstammung von dem legendären Gründervater Skjöld und damit die eigene Legitimität als Herrscher verdeutlicht werden.
Neuer Fachartikel publiziert
Covid19-bedingt etwas verspätet ist diese Woche endlich ein Artikel veröffentlicht worden, den ich zusammen mit meiner Kollegin Valerie Palmowski geschrieben habe und in dem wir die drei bislang bekannten Fälle von intentionalen Schädeldeformationen der skandinavischen Wikingerzeit aus archäologischer, anthropologischer und vor allem identitätstheoretischer Perspektive diskutieren.
Der Beitrag ist erschienen in der Fachzeitschrift 'Germania' und kann hier heruntergeladen werden.
Stellungnahme zu neuer Studie zu Bauchbestattungen
In der aktuellen National Geographic ist ein spannender Artikel zu einer neuen Studie zu Bestattungen in Bauchlage im Hoch- und Spätmittelalter im deutschsprachigen Raum erschienen, für den ich um ein paar Kommentare gebeten wurde.
Kommentare zu wikingerzeitlichen Doppelbestattungen in der NZZamSonntag
In der aktuellen Ausgabe der NZZamSonntag vom 06.06.2020 ist ein längerer Artikel zu Doppelbestattungen in der Vor- und Frühgeschichte erschienen, in dem ich dankenswerterweise als Spezialist zur Wikingerzeit zu Wort komme.