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Unter Artikel findet sich nun ein Text zu Waffen und Kriegssymbolik in der wikingerzeitlichen Frauentracht, den mein guter Freund und Kollege Leszek Gardeła und ich vor einiger Zeit für die 'Archäologie in Deutschland' geschrieben hatten.

Am 23. Februar nächsten Jahres erscheint bei wbg/Theiss das von mir herausgegebene Buch 'Die Wikinger. Seeräuber und Krieger im Licht der Archäologie' als Sonderheft 20/2021 der Archäologie in Deutschland.

In dem reichhaltig bebilderten Buch werden durch ein Dutzend Wissenschaftler (darunter Rudolf Simek, Sigmund Oehrl, Leszek Gardeła, Dirk H. Steinforth, Ben Raffield, Tobias Schade, Thorsten Lemm, Sixt Wetzler) auf über 130 Din A4-Seiten zentrale Aspekte zu Krieg und Gewalt in der Wikingerzeit diskutiert. Themen sind u. a. Bewaffnung, Befestigungen und Kriegsführung, Erziehung und Kriegerideale, Sklaverei und Menschenopfer, Berserker und die Rolle der Frau bei Krieg und Gewalt.

Das Buch wird sowohl als Hardcover veröffentlicht, wie auch als Sonderheft für die Archäologie in Deutschland.

Da auch WeltOnline heute einen Beitrag gebracht hat, in dem meine Forschung als vorgeblicher Beleg für die Existenz weiblicher Krieger und Heerführer in der Wikingerzeit angeführt wird, sehe ich mich gezwungen, dazu nochmals eine Klarstellung zu schreiben.

Die aktuellen archäologischen Forschungen geben keinen Anhaltspunkt für die tatsächliche Lebensrealität der etwa ein Dutzend derzeit bekannten mit Waffen bestatteten Frauen aus der skandinavischen Wikingerzeit!

Die einzige wissenschaftlich haltbare Aussage, die wir derzeit beim aktuellen Forschungsstand treffen können, ist, dass tatsächlich in seltenen Fällen und unter bislang noch unklaren Umständen Frauen auch mit einzelnen Waffen, Schmuckanhängern in Waffenform oder - in den beiden Gräbern aus Birka und Nordre Kjølen - auch mit einer vollen Bewaffnung bestattet wurden.

Warum dies geschah, wissen wir jedoch nicht und alle Erklärungsversuche, die derzeit kursieren, sind nichts als reine Spekulation!

Ich persönlich halte es für möglich, dass zumindest die Frau aus dem Grab Bj 581 von Birka zu Lebzeiten eine wichtige politische Rolle gespielt hat, die durch die Waffen verdeutlicht werden sollte (mehr dazu hier und hier). Diese Rolle hat sie aber - zumindest nach Aussage der Grabbeigaben - nicht als soziale Frau innegehabt, sondern als sozialer Mann, da sie in Männerkleidung beigesetzt wurde. Sie ist also ein möglicher Beleg dafür, dass in Einzelfällen biologische Frauen in der Wikingerzeit als soziale Männer agieren konnten. Das ist ein Punkt, der zumindest in der populären Diskussion gerne übersehen wird (dazu mehr hier).

Was ich jedoch vehement zurückweisen möchte, ist die oftmals geäußerte Deutung, dass die beiden Gräber von Birka und Nordre Kjølen der Beleg für eine aktive Beteiligung von Frauen am Kampf wären!

Die Tatsache, dass es in vielen Zeiten und Kulturen tatsächlich weibliche Krieger gab (bspw. bei den Skythen), darf nicht als unreflektierte Blaupause auf andere Epochen wie eben die Wikingerzeit bezogen werden. Sowohl die Bewaffnung wie auch die daraus resultierende Kampftechnik unterscheiden sich oftmals drastisch. Waffen, die weniger körperliche Kraft als vielmehr Technik und Erfahrung benötigen, so z.B. Fernkampfwaffen wie Bögen oder Gewehre aber auch 'klassische' Fechtwaffen, gleichen körperliche Unterschiede aus und erlauben es auch körperlich schwächeren Personen (vollkommen egal ob schmächtigen Männern oder fragilen Frauen) effektiv und tödlich zu kämpfen.

Der Kampfstil der Wikingerzeit ist enorm physisch, geprägt durch den Einsatz von großen Rundschilden, schweren Breitschwertern und Äxten. Technik ist zweifelsohne wichtig (wie in jeder Art von körperlichen Auseinandersetzungen), aber im Gegensatz zu anderen Kampfformen wie bspw. dem modernen Fechten sind Kampferfahrung, Entschlossenheit/Mut und besonders körperliche Stärke die domierenden Aspekte, die über Sieg und Niederlage entscheiden. Sicherlich gibt und gab es schon immer Frauen, die Männern auch körperlich ebenbürtig waren (da kann ich als Kampfsportler und Reenactment-Fechter ein Lied von singen...), aber tendenziell sind Frauen in allen Zeiten Männern körperlich deutlich unterlegen. Das lässt sich bspw. für die Wikingerzeit deutlich an den Skeletten nachweisen. Besonders markant ist dies im Falle von einem der beiden oftmals angeführten Gräber. Die junge Frau aus dem norwegischen Nordre Kjølen maß gerade einmal 150 cm bei einem geschätzten Gewicht von max. 40 kg. Damit war sie über 20 cm kleiner und etwa 30 kg leichter als der durchschnittliche Mann der Wikingerzeit. Meiner persönlichen Kampferfahrung als passioniertemThaiboxer und langjährigem Reenactment-Fechter nach wäre diese zarte Person in einem ernsthaften Kampf schlichtweg überrannt worden (dazu habe ich hier schon geschrieben).

Ich bin sicher, dass es auch in der Wikingerzeit durchaus Frauen gab, die Männern körperlich zumindest ansatzweise ebenbürtig waren und sich aktiv (und effektiv) an einem Kampf im Schildwall hätten beteiligen können. Für die meisten Frauen schließe ich das jedoch ausgehend von den deutlichen körperlichen Unterschieden und meiner eigenen Erfahrung in fast 30 Jahren Kampfsport aus.

Die spannenden neuen Ergebnisse zu den Gräbern von Birka und Nordre Kjølen, die von meinem Kollegen und guten Freund Leszek Gardeła gesammelten Frauengräber mit Waffen oder auch die Miniaturwaffenamulette aus Frauengräbern, die Leszek und ich in einem Artikel in der Archäologie in Deutschland diskutieren, zeigen eindeutig, dass unser bisheriges Wissen von Frauen in der Wikingerzeit unvollständig ist. Offensichtlich waren Waffen nicht ausschließlich männliche Attribute, sondern konnten als Symbole auch für (nicht 'von'!) Frauen verwendet werden. Die tatsächliche symbolische Bedeutung von (Miniatur-)Waffen in Frauengräbern kennen wir jedoch noch nicht und alle Mutmaßungen sind bislang eben nicht mehr als Spekulation. Ganz eindeutig sind sie aber kein archäologisch sicherer Beleg für kämpfende Kriegerinnen!

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Mythen und Legenden über weibliche Kriegerinnen - die Amazonen - beflügeln bis heute unsere Phantasie und beeinflussen auch die aktuelle Diskussion um Schildmaiden und Kriegerinnen in der Wikingerzeit.

Der Mythos der Amazonen ist spätestens ab dem 6. Jh. vor Christus in griechischen Schriftquellen und auf Abbildungen überliefert und scheint auf eine Gruppe von reiternomadischen Völkern der Antike zurückzuführen zu sein, die als Skythen bekannt sind. Anthropologische Untersuchungen der letzten Jahre haben zunehmend reiche Bestattungen von Frauen mit Waffen, Reitausrüstung und teilweise in männlicher Tracht zu Tage gebracht. Da einige dieser Frauen auch deutliche Spuren von Gewalteinwirkung im Knochenmaterial aufzeigten, ist davon auszugehen, dass bei den Skythen auch Frauen in den Kampf zogen.

Ein besonders interessanter (Neu-)Fund ist das Grab eines jungen Individuums, das bereits 1988 in Sibirien entdeckt wurde. Aufgrund der Waffen in dem Grab nahm die Wissenschaft jahrzehntelang an, dass es sich bei dem Individuum um einen Jungen handeln würde. Neue aDNA-Analysen haben jetzt jedoch ergeben, dass es sich bei dem jungen Krieger tatsächlich um ein etwa 13 Jahre alte Mädchen handelt.

Der Fund bestätigt die neueren Theorien zu weiblichen Kriegerinnen bei den Skythen und kann möglicherweise auch neue Perspektiven für die schwelende Diskussion um Kriegerinnen in der Wikingerzeit eröffnen.

In der ersten Ausgabe der Archäologie in Deutschland 2018 findet sich ein Artikel von mir zu der aktuell in der Forschung wie auch in der interessierten Öffentlichkeit heiß diskutierten Frage nach dem möglichen wissenschaftlichen Nachweis einer 'Wikinger-Kriegerin'.