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Etwa Sieben Kilometer nördlich des dänischen Aarhus, nahe des Dörfchens Lisbjerg, wurde vor wenige Wochen ein Gräberfeld der Wikingerzeit mit 30 Bestattungen entdeckt. Während das Knochenmaterial in den Gräbern bis auf wenige Fragmente und die Zähne weitestgehend vergangen war, enthielten einige Gräber reiche Beigaben, darunter auch eine in den 960er-Jahren in Haithabu geprägte Münze. Das Gräberfeld kann daher in die Zeit des berühmten dänischen Königs Harald Blauzahn in das späte 10. Jahrhundert datiert werden.

Nur wenige hundert Meter von dem Gräberfeld entfernt lag im 10. Jahrhundert der bereits seit den späten 1980er Jahren bekannte Hof Stormandsgården, der als Sitz einer lokalen Elite gedeutet wird. Die mit fast zwei Hektar Fläche beeindruckende Hofanlage war mit einer Palisade umzäunt und lag an der zentralen wikingerzeitlichen Wegstrecke, die aus dem nordöstlichen Jütland nach Aros, dem wikingerzeitlichen Vorläufer von Aarhus und eine der wichtigsten Siedlungen dieser Zeit in Dänemark, führte.

Die Funde in vielen Gräbern weisen darauf hin, dass Lisbjerg als Bestattungsplatz für den Elitensitz bei Stormandsgård gedient hat und dort die Angehörigen der herrschenden Familie beigesetzt wurden. Besonders deutlich zeigt dies ein kleines Eichenholzkästchen mit versilberte Metallbeschlägen und fein gearbeiteten Scharnieren und Verschluss aus einem Frauengrab. Röntgenaufnahmen zeigten, dass in dem Kästchen neben einer Fibel und einer silbernen Filigranperle auch Textilwerkzeug lag – eine Schere, eine Nadel und feiner Goldfaden für die Verzierung von Kleidung.

Die Funde von Lisbjerg sind ein weiteres, ebenso wichtiges wie spannendes Mosaikteilchen, das uns neues Wissen über das Hinterland der großen Siedlungen – Haithabu, Ribe, Jelling, Aros – und über das Netzwerk der Machtstrukturen im frühen dänischen Königreich liefert.

Vorletzte Woche hatte ich die Ehre und das große Vergnügen Gast und Interviewpartner in dem Videoblog 'Archaeodeath' von Prof. Howard Williams zu sein. Prof. Williams lehrt an der Universität Chester und ist sicherlich der Vorreiter in der Forschung zur 'burial archaeology', zum Umgang mit Tod und Bestattungen im europäischen Frühmittelalter. Darüber hinaus ist er enorm aktiv in der populären, medialen Vermittlung von Wissen zur Archäologie und zum Frühmittelalter. Ich schätze, dass kein anderer Wissenschaftler meine Forschung in den letzten Jahren so geprägt hat, wie er. Daher war es für mich ein persönliches Highlight, mit ihm über die Archäologie der Wikingerzeit, Gotland im Speziellen und auch das heutige populäre "Nachleben" der Wikinger, das 21st-Century-Viking-Age zu sprechen.

In der aktuellen Ausgabe widmet sich der Podcast von 'Terra X History' unter dem Titel "Wikinger – Mythos und Wahrheit" der skandinavischen Wikingerzeit und dem modernen Mythos Wikinger. Gemeinsam mit einigen Kolleginnen und Kollegen durfte ich diese Thematik diskutieren.

Alle Wikinger hießen Helga und Erik, Sven und Gudrid oder Inga und Björn? Wenn es um die Frage nach den Namen der Menschen aus der skandinavischen Wikingerzeit geht, fallen wohl meistens diese auch heute noch gebräuchlichen Vornamen.

Was aber wissen wir wirklich über die Namen der Menschen, die zwischen 800–1100 nach Christus in Skandinavien lebten, den Menschen, die wir verallgemeinernd als ‚Wikinger‘ bezeichnen? Die erste und wichtigste Quelle sind die über 3.000 derzeit bekannten Runensteine. Beinahe die Hälfte dieser Steine wurde in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts in der Provinz Uppland, nördlich der heutigen schwedischen Hauptstadt Stockholm, errichtet. Die Runensteine sind zumeist Denkmäler, die zur Erinnerung an Verstorbene errichtet worden sind. Zuweilen rühmten sich aber auch noch lebende Personen auf den Runensteinen ihrer Taten. Berühmtestes Beispiel ist sicherlich der große Runenstein von Jelling, auf dem sich der dänische König Harald Blauzahn als Reichseiniger und Vorkämpfer für das Christentum darstellte.

Die Inschriften auf den meisten der wikingerzeitlichen Runensteine sind nach einem immer wiederkehrenden Muster aufgebaut. Am Anfang stehen ein oder mehrere Personennamen, die den Runenstein für eine Person haben errichten lassen, oftmals den Bruder, Vater, Ehemann oder Sohn, manchmal auch die Mutter oder Ehefrau. Oft folgt darauf eine kurze Information zu den Todesumständen, wenn bspw. jemand auf Raubzug, im Kampf oder auf einer Handelsreise in ferne Länder gestorben war. Manchmal wird die Inschrift durch eine christliche Segensformel oder eine Nennung des Runenschreibers abgeschlossen.

Dadurch ist auf den Runensteinen eine große Anzahl wikingerzeitlicher Personennamen überliefert. Sicherlich sind diese Namen nicht zwangsläufig repräsentativ für die gesamte Wikingerzeit, denn sie spiegeln vor allem die Elite wider. Die häufigsten Namen sind uns dabei tatsächlich ziemlich vertraut: Sven (Svæinn), Björn (Bjǫrn), Thorsten (Þórstæinn), Ulf (Ulfr) oder auch Gunnar (Gunnarr) bei den Männern; Tora (Þóra), Asa (Ása), Inga oder Helga bei den Frauen. Viele der selteneren Namen sind heutzutage jedoch nicht mehr üblich; Männernamen wie Anundr, Tóki, Sigfastr oder Svarthǫfði und Frauennamen wie Guðlaug, Kætilví oder Fastlaug.

Vor wenigen Wochen hatte ich die große Ehre, im Studio von Grimfrost zu Gast zu sein und mit Johan Hegg - seines Zeichens Frontmann von Amon Amarth - über Reenactment, die Wikingerzeit und meine Forschung zu sprechen. Das Video-Interview ist nun als Folge 6 des Podcasts "Explore the Viking Age" von Grimfrost erschienen und bei Youtube zu sehen.

Schulen oder Kindergärten gab es in der Wikingerzeit noch nicht. Die Kinder lernten fast alles von den Erwachsenen. So mussten sie schon früh ihren Eltern bei der alltäglichen Arbeit helfen: Sie mussten Brennholz sammeln, Tiere hüten oder auf die jüngeren Geschwister aufpassen. Die Mädchen halfen der Mutter bei der Hausarbeit, die Jungen ihren Vätern in der Werkstatt, auf den Feldern oder beim Fischen und erlernte so die Fähigkeiten für ihr späteres Leben. Trotzdem haben auch die Kinder in der Wikingerzeit oft Freizeit gehabt, in der sie verschiedenste Spiele miteinander spielten. In Haithabu wurden verschiedenste Gegenstände gefunden, die als Kinderspielzeug gedeutet werden können: kleine geschnitzte Schiffe aus Holz, mit denen die Kinder in Haithabu am Hafen spielerisch selbst „in See stechen“ konnten oder Poppen aus Holz und Knochen. An anderen Fundplätzen in Skandinavien sind kleine Holzschwerter gefunden worden, mit denen die Jungen den großen Kriegern nacheifern konnten, unterschiedlichste Tierfiguren aus Holz, Knochen oder Bernstein wie kleine Pferde, Enten oder Katzen sowie Lederbälle und Kreisel. Im Winter, wenn man sich in die dunklen Häuser zurückzog, spielten die Kinder sicherlich auch ähnliche Spiele wie die Erwachsenen: Würfelspiele mit kleinen Knochenwürfeln oder das beliebte Brettspiel Hnefatafl, bei dem ein Spieler die Rolle des Verteidigers übernimmt, der mit seinem König vom Spielfeld zu fliehen versucht, während der andere Spieler als Angreifer die Königsfigur festsetzen muss.

Auch wenn wir nicht allzu viel über Leben und Alltag von Kindern in der Wikingerzeit wissen – das archäologische Fundmaterial spiegelt zumeist nur das Leben der Erwachsenen wider – zeigen die Funde von Spielzeug eindrücklich auf, dass auch in Haithabu das Lachen und Kreischen spielender Kinder durch die Gassen hallte.

Auch der aktuelle Podcast von ZEIT Geschichte. Wie war das nochmal? widmet sich der Wikingerzeit und der vermutlich derzeit meist gestellten Frage: Gab es weibliche Krieger in der skandinavischen Wikingerzeit und welche Bedeutung hat dabei das ominöse Kammergrab Bj 581 aus Birka. Dazu wurde ich von den Redakteuren von ZEIT GEschichte befragt und herausgekommen ist ein ebenso anschaulicher wie gut recherchierter und teilweise auch sehr kritisch hinterfragender Podcast, den man sich >hier< anhören kann.

Das aktuelle Magazin von 'Zeit Geschichte: Wikinger' widmet sich ausführlich auf über 120 Seiten der Wikingerzeit. Mehr als 20 Beiträge, teilweise verfasst von international renommierten Fachleuten beleuchten unterschiedliche Aspekte dieser Epoche und auch für echte 'Wikinger-Kenner' findet sich noch die ein oder andere neue Information. Ich habe das Heft als Fachberater begleiten dürfen und mich in einem längeren Interview, das den Abschluss des Heftes bildet, mit den Redakteuren über die heutige Faszination für die Wikingerzeit unterhalten.

Echte Wikinger waren Heiden, glaubten an Odin, Thor und die anderen Götter der Edda und lehnten das Christentum ab. Dies ist jedenfalls das Bild, dass uns in den Medien zumeist vermittelt wird. Die historische Realität sah dagegen ganz anders aus. Schon früh kamen die Menschen der skandinavischen Wikingerzeit mit dem christlichen Glauben in Berührung, auf ihren Handelsfahrten in den Süden und Westen oder durch christliche Händler, z. B. in Haithabu. Haithabu nahm bei der Christianisierung der Wikinger auch eine zentrale Rolle ein, denn um das Jahr 850 n. Chr. herum wird dem Mönch Ansgar, dem ‚Apostel des Nordens‘, erlaubt, in Haithabu eine Kirche zu errichten und zu predigen. Etwa einhundert Jahre später wird Haithabu zusammen mit den Siedlungen Ribe und Århus zum Bistum ernannt. Die eindrucksvolle große Bronzeglocke, die 1978 im Hafenbecken von Haithabu gefunden wurde, hängt möglicherweise damit zusammen. Viele Funde aus Haithabu weisen zudem deutlich darauf hin, dass viele Einwohner bereits Christen waren – oder zumindest diesen neuen Gott aus dem Süden, den sie als ‚Weißen Christus‘ bezeichneten, einfach in ihren Götterhimmel integrierten. So betete man nicht nur zu Odin und Thor, sondern auch noch zu Jesus Christus. Der eindrucksvollste Hinweis darauf ist sicherlich eine in Haithabu gefundene Specksteingussform, in der sowohl christliche Kreuze wie auch heidnische Thorshämmer, das Symbol des Donnergottes Thor, gegossen werden konnten. Dieser sogenannte „Synkretismus“, das Vermischen heidnischer und christlicher Glaubensvorstellungen war möglich, weil es keine allgemeingültige, dogmatische heidnische Religion gab, die überall in Skandinavien ausgeübt wurde. Es gab auch kein Buch ähnlich der Bibel, in dem stand, woran man zu glauben hatte. Die berühmte „Edda“ (eigentlich die Eddas, denn es gibt zwei Werke dieses Namens), die faszinierende Sammlung von Mythen über die altnordischen Götter und Helden, wurde erst Jahrhunderte nach der Wikingerzeit niedergeschrieben. So war es möglich, den neuen Gott und einzelne Aspekte des Christentums sukzessive in die heidnischen Glaubensvorstellungen zu integrieren, bis das Christentum gegen Ende der Wikingerzeit das Heidentum weitestgehend abgelöst hatte. Die Wikingerzeit ist daher eine sogenannte „Transitionsphase“, eine Phase des Überganges von den alten heidnischen Glaubensvorstellungen zum Christentum.

Der aktuelle Podcast "ZEIT Geschichte. Wie war das nochmal?" widmet sich den Schiffen der Wikinger und nimmt dabei besonders die Schiffsfunde aus Haithabu in den Blick. Dazu durfte ich ausgiebig zu Wort kommen und über Haithabu und den Schiffsbau der Wikingerzeit sprechen.