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Gerade in den Herbst- und Wintermonaten können die Finanzen leicht in Unordnung geraten: Auf der einen Seite drohen hohe Heizkosten und auf der anderen Seite gehört es gerade in den kalten und dunklen Monaten ja irgendwie auch zur Vorweihnachtszeit dazu sich, das ein oder andere zu gönnen. Und dann sind da ja noch die Weihnachtsgeschenke, die es zu kaufen gilt. Da ist es gut, wenn man im Rest des Jahres auch einmal etwas Geld zurücklegen konnte.

Auch in der Wikingerzeit galt „Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not“. Davon zeugen die weit über 1.000 bislang aus der skandinavischen Wikingerzeit bekannten sogenannten „Edelmetallhorte“. Darunter versteht man Schätze, zumeist aus Silbermünzen, aber auch aus Silberschmuck und Silberbarren, die üblicherweise in der Nähe der Höfe vergraben wurden. Der bislang größte bekannte Hort, der Silberschatz von Spillings auf Gotland, enthielt fast 67 Kilo Silber, darunter über 18.000 zumeist arabische Silbermünzen und hunderte von Armreifen aus Silber.

Die Gründe, warum so viele dieser Silberschätze von ihren Besitzern nicht mehr geborgen wurden, sind in der Forschung umstritten. Eine Theorie besagt, dass man gewissermaßen für das Leben im Jenseits gespart habe; an einer Stelle in der altnordischen Literatur heißt es, die Menschen der Wikingerzeit würden glauben, dass sie das im Jenseits besitzen würden, was sie zu Lebzeiten vergruben. Einer anderen Theorie zufolge wurde Land dadurch in Besitz genommen, dass der Familienschatz darin vergraben wurde. Vermutlich waren aber viele dieser Horte nichts anderes als der wikingerzeitliche Sparstrumpf, in dem man für Notzeiten seine Ersparnisse sicher vor fremdem Zugriff verbarg und die aus unterschiedlichsten Gründen von ihren ursprünglichen Besitzern nicht mehr geborgen werden konnten.

Die Wikinger haben in unserer heutigen Zeit ein Eigenleben entwickelt und Einzug in die Popkultur gehalten. Auch nach 1000 Jahren hat die Wikingerzeit für uns heute noch immer eine enorme Anziehungskraft und scheint aktueller zu sein denn je. Der Frage, worin diese Faszination an der Wikingerzeit liegt, hat sich im Sommer der Autor Peter Schranz gewidmet und eine Reihe von Interviews mit Fans und Fachleuten geführt. Herausgekommen ist ein sehr interessanter Beitrag, der heute Abend im NDR zu hören ist und auf der Website des NDR >hier< gehört werden kann.

Das Thema ‚Heizen‘ beschäftigt in diesem Jahr viele Menschen, vor allem bei diesen winterlichen Temperaturen. Zusammen mit einem vollen Bauch ist ein warmer Wohnraum sicherlich eines der zentralen Grundbedürfnisse jedes Menschen. Wie aber wurde in der Wikingerzeit und vor allem hier in Haithabu geheizt?

Die klassischen Langhäuser der Wikingerzeit unterschieden sich nicht großartig von den Gebäuden, die bereits seit der Jungsteinzeit üblich waren. Zumeist waren es dreischiffige Hallengebäude, d. h. Häuser mit zwei Reihen von Innenpfosten in der Mitte des Gebäudes, die das Dach trugen. Diese Langhäuser waren bis zu 30 Meter lang und bis zu 8–9 Meter breit, die längste bislang bekannte wikingerzeitliche Halle, gelegen bei Borg auf den Lofoten in Nordnorwegen, maß sogar über 80 Meter in der Länge. Die Wände bestanden aus Holzbohlen, das Dach war mit Reet bzw. Stroh oder mit Torfsoden gedeckt, oder bei den großen Hallen der Herrscher auch mit hölzernen Dachschindeln. In der Mitte der Halle befand sich die zentrale Feuerstelle, die zum Kochen verwendet wurde und auch das Haus heizte. Bei großen Hallen konnte diese Feuerstelle mehrere Meter lang sein. Bei Minusgraden musste das Herdfeuer tagsüber durchgängig befeuert werden, um eine konstante Innentemperatur über dem Gefrierpunkt zu erreichen, wie experimentalarchäologische Versuche gezeigt haben. Dafür wurden enorme Mengen an Feuerholz benötigt. Gleichzeitig musste der Rauch abziehen können, was eine ausreichende Belüftung erforderte und damit wiederum einen Wärmeverlust bedeutete. Als zusätzliche Wärmequelle war es bereits Jahrhunderte vor der Wikingerzeit üblich geworden, das Vieh im selben Gebäude, sogenannte ‚Wohnstallhäuser‘, aufzustallen.

In Haithabu lässt sich anstelle der typischen hölzernen Langhäuser der ländlichen Gehöfte bereits eine besondere frühstädtische Architektur fassen. Die Wände der meisten Häuser zwischen den tragenden Pfosten bestanden nicht mehr aus Holzbohlen, sondern aus lehmverstrichenem Flechtwerk. Die Lehmwände hatten einen klimatischen Effekt, im Sommer blieben sie angenehm kühl, während sie im Winter die Wärme speicherten. Gleichzeitig konnte man durch diese Bauweise Mengen an Bauholz sparen, das für das Heizen benötigt wurde. Denn die Versorgung der Einwohner von Haithabu wird eine enorme logistische Herausforderung gewesen sein: der altnordische Name Heiðabýr bedeutet nichts Anderes als Siedlung (býr) auf der Heide (heiða), was nahelegt, dass Holz aus der Umgebung herangeschafft werden musste.

Anfang dieser Woche ist mit 'Vikings. Die wahre Geschichte' eine neue, sechsteilige Doku-Reihe zur Wikingerzeit bei ZDFinfo erschienen, die nun auch über die Mediathek des ZDF abrufbar ist. Die Dokumentation zeichnet anschaulich die chronologische Entwicklung der Wikingerzeit, vor allem aber die Ausbreitung der Wikinger, nach. Zu Wort kommen eine ganze Reihe renommierter skandinavischer Fachkollegen und in den Spielszenen kann man viele bekannte Gesichter aus der nordeuropäischen Reenactmentszene erkennen. Ich hatte erneut das Vergnügen, als Fachberater für die deutsche Übersetzung der gesamten Reihe mitwirken zu dürfen und kann die Dokus für die kommenden kalten Winterabende wärmstens empfehlen.

Vor wenigen Wochen hat mein geschätzter Kollege Dr. Volker Hilberg, derzeit sicherlich der Experte zu Haithabu, sein zweibändiges Monumentalwerk ‚Haithabu 983–1066. Der Untergang eines dänischen Handelszentrums in der späten Wikingerzeit‘ vorgelegt. Ausgehend von den geophysikalischen Untersuchungen des Bereiches innerhalb des Halbkreiswalles und besonders von den abertausenden an Detektorfunden der jüngeren Zeit rekonstruiert er die späte Phase von Haithabu und den Übergang in das mittelalterliche Schleswig. Das Buch stellt den abschließenden Höhepunkt des mehrjährigen, von der Volkswagenstiftung geförderten Forschungsprojektes „Zwischen Wikingern und Hanse“ (mehr dazu >hier<) dar und ist nicht nur die Vorlage von spannendem neuen Fundmaterial, sondern wird für die nächsten Dekaden das Standardwerk zur späteren Zeit von Haithabu sein.

Mit einer leichten, coronabedingen Verspätung ist zu Ostern endlich meine Monographie zu den spätwikingerzeitlichen Bestattungen auf dem gotländischen Gräberfeld von Havor veröffentlicht worden. Die Arbeit ist das Endergebnis meiner vierjährigen Forschung im Rahmen des SFB 1070 an der Universität Tübingen von 2017–2021 und in mehrfacher Hinsicht für mich ein sehr emotionaler Abschluss. Ursprünglich war geplant, die Arbeit gemeinsam mit meinem Doktorvater und späterem Chef Professor Jörn Staecker (27.04.1961–15.12.2018) zu schreiben, als Ergebnis seiner langjährigen Beschäftigung mit der gotländischen Wikingerzeit. Aufgrund seines tragischen frühzeitigen Todes konnte dieser Plan nicht mehr umgesetzt werden. Darüber hinaus ist diese Publikation voraussichtlich mein letzter umfangreicherer Beitrag zur Erforschung der gotländischen Wikingerzeit – ein Themenfeld, das mich seit Beginn meiner Dissertation vor fast 12 Jahren auf eine einzigartige Art und Weise begeistert hat – und auch voraussichtlich vorerst meine letzte Monographie.

Inhaltlich untersucht die Arbeit die spätwikingerzeitlichen Bestattungen auf dem Gräberfeld von Havor, Hablingbo sn, auf Gotland und im Besonderen die Art und Weise, wie in den Bestattungen von Havor die Erinnerungen an und Vorstellungen von Vergangenheit auf der einen und kulturelle Veränderungen auf der anderen Seite zur Konstruktion von spezifischen Identitäten instrumentalisiert wurden. Dieses Vorgehen, besonders durch den Aufgriff älterer Bestattungstraditionen und die Nachnutzung älterer Grabanlagen, erlaubt Rückschlüsse auf die Wahrnehmung einer mythischen Vergangenheit in der Wikingerzeit und auf die diskursive Ebene von Erinnerungen und Traditionen als soziale und identitätsstiftende Konstrukte. Die ersten Kapitel stellen eine reine Materialauswertung und -betrachtung des Gräberfeldes und seines Siedlungsumfeldes als Ganzes, der wikingerzeitlichen Bestattungen im Speziellen sowie der gesamtgotländischen Entwicklung von der frühen Eisenzeit bis in die späte Wikingerzeit dar. Darauf folgt eine ausführliche Theoriediskussion dazu, was Bestattungen und Gräber – über die reine "Entsorgung" eines menschlichen Verstorbenen – eigentlich sind und wie in Havor die Instrumentalisierung (oder Konstruktion?) der eigenen Vergangenheit fassbar wird.

Die Monographie kann in wenigen Monaten auch als Printversion bei der Universität Tübingen bestellt werden. Seit letzter Woche ist sie als PDF frei über den Open Acess-Bereich der Universitätsbibliothek abrufbar.

Bereits 1886 wurde bei der Ausgrabung eines großen Grabhügels, des sogenannten ‚Storhaug‘ von Torvastad, auf Karmøy nahe von Avaldsnes die Schiffsbestattung eines bedeutenden lokalen Fürsten entdeckt. Der Verstorbene war vermutlich im letzten Viertel des 8. Jahrhunderts – also in der frühesten Wikingerzeit – mit Waffen und kostbaren Grabbeigaben auf einem 20 Meter langen Schiff in dem Grabhügel beigesetzt worden. Bei der Nachuntersuchung das Grabhügels konnten nun das Achterende des Schiffes rekonstruiert werden. Das Spektakuläre an den neuen Ergebnissen ist, dass es sich bei dem Schiff vermutlich bereits um ein Segelschiff gehandelt hat. Damit wäre das Schiff aus dem Storhaug von Torvastad auf Kamøy das älteste bislang bekannte Segelschiff aus dem Norden.

Bei dem bislang ältesten bekannten Segelschiff der Wikingerzeit handelt es sich um das berühmte Schiff aus dem Grabhügel von Oseberg am Oslofjord, das dendrochronologisch auf die Zeit um 820 n. Chr. datiert werden kann. Es gibt noch zwei ältere Schiffe – das Schiff aus Kvalsund, Westnorwegen, datiert auf etwa das Jahr 700 n. Chr. und das Schiff Salme 2 von Saaremaa, Estland, datiert auf etwa 750 n. Chr. – die bereits einen Kiel aufweisen. Ein Kiel ist die schiffsbautechnische Voraussetzung, um einen Mastbaum aufzustellen. Bei den beiden älteren Schiffen ließen sich aber sowohl Mast wie auch Segel bislang noch nicht sicher nachweisen. Dass Segelschiffe in Skandinavien aber schon vor der Wikingerzeit bekannt gewesen sein müssen, zeigen die Abbildungen von Schiffen unter vollen Segeln auf einigen wenigen gotländischen Bildsteinen des 6. und 7. Jahrhunderts.

Mit den neuen Untersuchungen an dem Schiffsgrab von Torvastad auf Karmøy kommen wir also den frühesten Segelschiffen Nordeuropas der Vendel- und frühen Wikingerzeit wieder etwas näher. Daneben konnte auf Karmøy neben dem Schiffsgrab im Storhaug und einem zweiten, schon länger bekannten Schiffsgrab in einem als ‚Grønhaug‘ bezeichneten Grabhügel noch ein drittes Schiffsgrab entdeckt werden. Der etwa 40–50 Meter durchmessende Hügel war zu Beginn des 20. Jahrhunderts schon einmal untersucht worden. Damals stieß man jedoch nur auf ein paar Einzelfunde. Die Konzentration von frühwikingerzeitlichen Schiffsgräbern unter großen Grabhügeln auf Karmøy lässt vermuten, dass das nahegelegene Avaldsnes bereits im späten 8. und frühen 9. Jahrhundert ein bedeutender Häuptlingssitz oder Königshof war.

Bei der Netlix-Woche ist ein Interview mit mir zu 'Vikings' und 'Vikings: Valhalla', zu historisch korrekten Wikingerdarstellungen und dem gegenwärtigen Sexappeal der Nordmänner, erschienen. Ich bin bekanntermaßen kein großer Freund dieser beiden Serien, da sie ein wenig korrektes Wikingerbild vermitteln. Aber ich sehe in meiner Arbeit im Museum tagtäglich, wie groß das Bedürfnis der Menschen heutzutage nach diesem 'Sehnsuchtsort Wikingerzeit' ist, dass wir offensichtlich als moderne Gesellschaft diese Vorstellung einer archaisch-wilden Vergangenheit brauchen. Und natürlich freue ich mich über das hohe Interesse an der Wikingerzeit. Daher kann ich dem gegenwärtigen Wikinger-Hype auch durchaus viel Positives abgewinnen und freue mich, mit Netflix ein offenes und kritisch-faires Gespräch über die Trend-Wikinger der Moderne und die 'echten' Wikinger der Vergangenheit geführt zu haben.

Seit einigen Tagen begeistert der spektakuläre Fund eines Runensteines in Norwegen Archäologen und Runologen wie auch Geschichtsinteressierte gleichermaßen. Bereits im Herbst 2021 wurde die kaum mehr als 30x30 cm messende Sandsteinplatte bei Straßenbauarbeiten in der südnorwegischen Provinz Viken in einem Brandgrab gefunden. Auf dem „Svingerudsten“ getauften Stein sind mehrere Zeichenfolgen erkennbar, von denen einige als Runeninschriften im älteren Futhark identifiziert werden können, der Runenreihe, die ab den ersten Jahrhunderten nach Christus bis in die frühe Wikingerzeit üblich war. Darunter sticht besonders eine kurze Inschrift auf der mutmaßlichen Vorderseite des Steines hervor, die zweifelsfrei als „IDIBERUG“ entziffert werden kann. Möglicherweise handelt es sich dabei um einen Personennamen. Einige der übrigen Zeichenfolgen scheinen der Runologin Kristel Zilmer nach dagegen keine konkrete Bedeutung zu haben. Bei einigen der Gitter- und Zickzackmuster könnte es sich möglicherweise um Schreibversuche oder die Nachahmung von Runenzeichen handeln.

Spektakulär wird der Fund des „Svingerudsten“ jedoch durch die Datierung des Grabes, in dem er gefunden wurde. Radiokarbondatierungen an Knochenresten aus dem Grab zufolge wurde die Bestattung im 1. oder 2. Jahrhundert nach Christus angelegt. Eine Datierung in die frühe Phase der römischen Eisenzeit legen auch die wenigen erhaltenen Beigaben nahe. Damit handelt es sich bei dem „Svingerudsten“ um den ältesten bekannten Runenstein der Welt. Die bislang ältesten bekannten Runensteine – z. B. die Runensteine von Hogganvik, Tune oder Einang – datieren in das späte 3. oder 4. Jahrhundert nach Christus. Zugleich könnte es sich bei der Inschrift auf dem „Svingerudsten“ auch um eine der ältesten Runeninschriften überhaupt handeln. Der bislang sicher datierte früheste Beleg für Runen ist die Namensinschrift „HARJA“ auf dem Kamm von Vimose aus der zweiten Hälfte des 2. Jahrhundert nach Christus. Etwas älter ist die Fibel von Meldorf aus dem 1. Jahrhundert nach Christus, allerdings ist bislang noch unklar, ob es sich bei der Zeichenfolge auf der Fibel tatsächlich um Runen handelt.

Möglicherweise liegt damit nun mit dem „Svingerudsten“ der älteste Nachweis für die Nutzung von Runen vor. Mehr zu diesem spektakulären Fund gibt es >hier<.

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift 'DAMALS' findet sich eine Rezension von mir zu dem neuen Werk 'Die wahre Geschichte der Wikinger' von Neil Price (S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2022, 752 Seiten, € 39,-).

Mit "Die wahre Geschichte der Wikinger" erscheint das lange erwartete Buch von einem der sicherlich renommiertesten Kenner der skandinavischen Wikingerzeit, dem in Uppsala lehrenden Professor Neil Price, auch auf Deutsch. Das Buch ist dabei keine umfassende Darstellung aller Aspekte der Wikingerzeit – dieser Anspruch würde selbst den Umfang dieses beeindruckenden Werkes sprengen. Stattdessen ist es der Versuch von Neil Price, das Phänomen ‚Wikinger‘ aus seiner Sicht nachvollziehbar zu machen.

Neil Prices "Die wahre Geschichte der Wikinger" eignet sich nicht unbedingt als Einstiegswerk zur Wikingerzeit, denn viele ebenso spannende wie wichtige Aspekte des Alltagslebens werden gar nicht oder nur kurz thematisiert. Auch richten sich Sprache und Inhalt eher an ein anspruchsvolles Publikum. Wer sich aber eingehender mit den großen Zusammenhängen der Wikingerzeit beschäftigen möchte, für den bietet Prices monumentales Werk einen exzellenten Zugang zu dieser faszinierenden Epoche.

Die volle Rezension findet sich hier: DAMALS. Magazin für Geschichte 01/2023, S. 57–58.